H. Leitner: Die insoweit erfahrene Fachkraft

keine Beschreibung eines neuen Berufsbildes sondern

ein verbindliches Element der Qualitätssicherung im Kinderschutz

  1. Zur Begrifflichkeit
  2. Auftragskontext
  3. Beauftragung
  4. Einsatz
  5. Aufgaben
  6. Rolle
  7. Kontexte für die Arbeit
  8. Grenzen in der Betätigung
  9. Anforderungen
  10. Methodik in der Arbeit
  11. Ansiedlung

1. Zur Begrifflichkeit

 „In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen.“ (§ 8a Abs. 2)

Durch den Gesetzestext werden Auftrag und Kompetenz der insoweit erfahrenen Fachkraft bestimmt. Zum Ersten ist die Fachkraft bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos hinzuziehen und zum Zweiten soll die hinzugezogene Fachkraft eben deshalb in der Risikoabschätzung (insoweit) erfahren sein.

Grundsätzlich hat die insoweit erfahrene Fachkraft also in Abgrenzung zu anderen Professionen bzw. Aufgaben ein spezifisches Profil, dass sich deutlich abgrenzen lässt, z. B. von Leitungskräften mit Fach- und Dienstaufsicht, vom Kinderschutzbeauftragten als Interessenvertreter, vom Casemanager mit Fallverantwortung, vom Controller mit Steuerungsfunktion, vom Qualitätsbeauftragten mit einem Entwicklungs- und Steuerungsauftrag, vom Berater als hierarchie- und machtfreiem Spezialisten, vom Fortbildner mit einem Qualifizierungsauftrag oder vom Supervisor als Reflexionsinstanz, auch wenn bestimmte Elemente dieser Professionen in ihrer Arbeit zum Tragen kommen.

Hieraus ergeben sich für die Formulierung eines dem gesetzlichen Auftrag angemessenen Tätigkeitsprofils zunächst eine Reihe bestimmter Fragestellungen, wie z. B.:

Wann wird eine insoweit erfahrene Fachkraft benötigt? Wer beauftragt eine insoweit erfahrene Fachkraft? In welchem Auftragskontext wird eine insoweit erfahrene Fachkraft tätig? Wo ist eine insoweit erfahrene Fachkraft hierarchisch angesiedelt? Wozu dient eine insoweit erfahrene Fachkraft? Welches sind die konkreten Aufgaben einer insoweit erfahrenen Fachkraft? Gibt es Grenzen für die Betätigung einer insoweit erfahrenen Fachkraft? Was kennzeichnet die Rolle einer insoweit erfahrenen Fachkraft? Welchen besonderen Anforderungen muss eine insoweit erfahrene Fachkraft gerecht werden? Gibt es spezifische methodische Aspekte für die Arbeit einer insoweit erfahrenen Fachkraft?

2. Auftragskontext

Die insoweit erfahrene Fachkraft hat nach dem Gesetz den Auftrag, in der Arbeit von Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen sicherzustellen, dass deren Fachkräfte die in Absatz 1 des § 8a bestimmte Risikoabschätzung in entsprechender Weise qualifiziert durchführen. In diesem und nach dem Gesetz nur in diesem Zusammenhang sollen die insoweit erfahrenen Fachkräfte hinzugezogen werden. Zur umfassenden Sicherstellung dieser gesetzlichen Norm bestimmt der Gesetzgeber den Abschluss von Vereinbarungen zwischen Jugendamt und den benannten Trägern von Einrichtungen und Diensten (§ 8a Abs. 2 SGB VIII).

Im Gesetzestext des § 8a SGB VIII wird damit einerseits direkt und andererseits indirekt auf die Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft verwiesen. Denn auch für die Fachkräfte des Jugendamtes gilt der Grundsatz, dass das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen ist. Und eben eine solche Fachkraft ist auch die im Absatz 2 des § 8a SGB VIII bestimmte insoweit erfahrene.


      SGB VIII – § 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten.

(2) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Insbesondere ist die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hilfen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden.

3. Beauftragung

Die insoweit erfahrene Fachkraft ist durch Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos hinzuziehen. Diese Hinzuziehung wird grundsätzlich in einem gemäß § 8a SGB VIII zu erarbeitenden Verfahren zum Umgang mit kindeswohlgefährdenden Situationen geregelt sein.

Die Hinzuziehung erfolgt grundsätzlich durch die fallzuständige Fachkraft des öffentlichen bzw. freien Trägers der Jugendhilfe.

Aus der Funktion der Fach- und Dienstaufsicht können auch Leitungsverantwortlich die Hinzuziehung in gewisser Weise in einem fachlich motivierten „Zwangskontext“ einzelfallbezogen veranlassen.

Aber auch Fachkräfte anderer Bereiche z. B. außerhalb der Jugendhilfe können dieses Beratungsangebot in Anspruch nehmen.

4. Einsatz

Grundsätzlich dient die Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft der Erhöhung der Handlungssicherheit der fallzuständigen Fachkraft bei Trägern von Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe und diesbezüglich bei zu treffenden Entscheidungen zur Hilfe für Kinder und deren Familien bzw. zum Schutz von gefährdeten Kindern. Die insoweit erfahrene Fachkraft berät zur Entscheidungsfindung, aber trifft grundsätzlich keine Entscheidungen im Sinne der Fallverantwortung. In diesem Sinne ist die Beteiligung der insoweit erfahrenen Fachkraft insbesondere angezeigt bei:

  • ·        Unsicherheit der fallzuständigen Fachkraft,
  • ·        hoher Komplexität des Falles,
  • ·        fehlenden Kompetenzen der fallzuständigen Fachkraft,
  • ·        hoher emotionaler Belastung der fallzuständigen Fachkraft,
  • ·        erheblichem Dissens im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte bzw. Professionen,
  • ·        bei punktuellem und prozesshaftem Beratungsbedarf.

5. Aufgaben

Die insoweit erfahrene Fachkraft hat vom Grunde her einen mehrdimensionalen Auftrag, der zunächst direkt bestimmt wird durch die unmittelbare Mitwirkung an der Risikoabschätzung. Hier ist vordergründig auf diagnostischer Basis zu prüfen und zu beurteilen, ob und welche Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Weiter geht es um die Beantwortung der Frage ob die aktuelle Lebenssituation (Ressourcen) des Kindes so ist bzw. so gestaltet werden kann (Hilfe, Schutz), dass künftig die Sicherung des Kindeswohls gewährleistet werden kann. Dieser diagnostische Auftrag ersetzt nicht die Anamnese und Diagnose durch die fallzuständige Fachkraft, sondern ist ergänzend als externe fall- und hierarchieunabhängige Expertise zu verstehen.

Auf der Grundlage der durch die insoweit erfahrene Fachkraft eigenständig erarbeiteten Gefährdungsabschätzung berät diese im Weiteren die fallzuständige Fachkraft bzw. die in der Einrichtung oder beim Dienst für die Fallbearbeitung in einer bestimmten Funktion Mitverantwortlichen (z. B. weitere Teammitglieder, Leitung, Fachberatung). Auch vorstellbar ist, dass die insoweit erfahrene Fachkraft bei unterschiedlichen Ergebnissen der Risikoabschätzungen den Prozess moderierend begleitet. Insbesondere wenn Fachkräfte mehrerer Einrichtungen und Dienste oder verschiedner Professionen an der Risikoabschätzung mitwirken, kann eine solche Vorgehensweise hilfreich sein.

Im Sinne einer strukturierten Reflexion des Handelns von Fachkräften, der Erfassung und der Verbesserung des Verstehens von Fallverläufen und des Bewusstmachens eigener Anteile der fallzuständigen Fachkraft leistet die insoweit erfahrende Fachkraft auch reflektorische Arbeit.

Nicht nur unter dem Aspekt der Fachlichkeit, sondern auch unter der Fragestellung strafrechtlicher Mitverantwortung muss die insoweit erfahrene Fachkraft auf offensichtliche Fehleinschätzungen oder unzureichende Schlussfolgerungen, die im Rahmen der Risikoabschätzung und weiteren Schutzplanung deutlich werden, nachdrücklich hinweisen.

Durch die Beteiligung einer insoweit erfahrenen Fachkraft können u. a. folgende Wirkungen erzeugt werden:

  • ·        Verbesserung der Handlungsfähigkeit der zu Beratenden,
  • ·        verbessertes Fallverstehen bei den handelnden Fachkräften,
  • ·        Strukturierung von Beobachtungen und Informationen,
  • ·        Strukturierung der Erarbeitung von Handlungsplänen,
  • ·        Rollenklärung,
  • ·        Klärung individueller Verantwortung,
  • ·        Versachlichung insbesondere emotional belasteter Prozesse,
  • ·        Offenlegung personenbezogener und institutioneller Verdrängungsmechanismen,
  • ·        Nachbetrachtung und Aufarbeitung von abgeschlossenen Fallverläufen,
  • ·        Qualitätssicherung und -entwicklung in Bezug auf die Weiterentwicklung von Verfahrensabläufen und Optimierung von Entscheidungen,
  • ·        Klärung fachlicher Positionen und Erarbeitung von fallübergreifenden Standards.

6. Rolle

Immer wieder wird die Rolle der insoweit erfahrenen Fachkraft im Rahmen der Risikoabschätzung, aber auch mit Blick auf andere vermeintliche Aufgaben bzw. Aufträge hinterfragt. Oft entstehen im Prozess der Beauftragung und im Beratungsprozess selbst Situationen, in denen die Frage der Grenze des Wirkens der insoweit erfahrenen Fachkraft steht oder gestellt wird. Um diese Fragen beantworten zu können ist, es zunächst wichtig, die Rolle der insoweit erfahrenen Fachkraft zu klären.

Fachlich strukturell gesehen sollte die insoweit erfahrene Fachkraft außerhalb der institutionellen Entscheidungshierarchie verortet sein. Die Rolle lässt sich im Weiteren beschreiben als ein die Qualität sicherndes Element im Verfahren der Risikoabschätzung. Danach ist die Fachkraft weder mit Aufgaben der Dienst- und Fachaussicht zu betrauen und hat keine, wie bereits erwähnt, Verantwortung in der Fallbearbeitung. Mit Blick auf den zu beratenden Fall ist die „Neutralität“ der insoweit erfahrenen Fachkraft zu gewährleisten.

Nach diesem Verständnis ist die insoweit erfahrene Fachkraft zu verstehen als „Kompetenzzentrum“ mit hoher institutioneller Autonomie und fallbezogener Neutralität.

7. Kontexte für die Arbeit

Die Einbeziehung der insoweit erfahrenen Fachkraft  geschieht zum Zweck der Qualifizierung der Risikoabschätzung. Dabei liegt es im Ermessen der Fachkraft wie sie dies methodisch orientiert an den Erfordernissen des Einzelfalls ausgestaltet. Hier ist es möglich die Mitwirkung u. a. anzubieten in Form von:

  • ·        Einzelberatung,
  • ·        Gruppen- bzw. Teamberatung,
  • ·        Leitungsberatung bzw. Leitungscoaching,
  • ·        Expertise bzw. Bericht,
  • ·        Moderation,
  • ·        Vermittlung.

Die insoweit erfahrene Fachkraft hat per Gesetz den Prozess der Risikoabschätzung fachlich beratend zu begleiten. Dies kann entsprechend den Anforderungen des Einzelfalls methodisch vielfältig geschehen. So kann dies inhaltlich erfolgen im Sinne einer:

  • ·        Fallberatung bzw. -reflexion,
  • ·        Fachberatung,
  • ·        Information,
  • ·        Moderation bzw. Gesprächsführung,
  • ·        Expertise,
  • ·        Qualitätssicherung,

aber auch als eine:

  • ·        Meldepflicht bei „Systemversagen“ im Sinne einer Intervention aus dem Beratungskontext heraus.

In letzterem Fall wären die zu Beratenden zunächst zu beauftragen selbst in Ihrem System für Information und Klärung zu sorgen. Erst wenn dies offensichtlich unterbleibt könnten als nächste Interventionsstufe bei gleichzeitiger Information der zu Beratenden über diesen Schritt Dienstvorgesetzte direkt durch die insoweit erfahrene Fachkraft in Kenntnis gesetzt werden. Dabei würde durch die „Qualität“ der Fehleinschätzung bzw. Unterlassung eine akuten Kindeswohlgefährdung andauern oder unmittelbar entstehen und so das Handeln im Sinne eines rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) zu begründen sein.

8. Grenzen der Einbeziehung

Die insoweit erfahrene Fachkraft stellt kein neues Berufsbild in der sozialen Arbeit dar, sondern ist ein verbindliches Element der Fallbegleitung und damit der Qualitätssicherung in der Kinderschutzarbeit.

So ist sie in keiner Weise für den Einzelfall oder der Teile der Fallbearbeitung zuständig zu machen.  § 8a SGB VIII besagt, das die Fallzuständigkeit bezüglich der Risikoabschätzung und der Zusammenarbeit mit den Personensorgeberechtigten  beim Jugendamt (Abs. 1) und ggf. bei den Fachkräften der Träger von Einrichtungen und Diensten (Abs. 2) liegt. Die insoweit erfahrene Fachkraft ist dabei „lediglich“ hinzuzuziehen. Dies schließt insbesondere aus, der insoweit erfahrenen Fachkraft gerade bei hochkomplexen oder bei hochstrittigen Fällen das Fallmanagement zu übertragen oder Teile in der Bearbeitung des zu beratenden Falls verantwortlich zu übergeben. Dies bedeutet kurz: die insoweit erfahrene Fachkraft übernimmt keine Aufträge in der Fallbearbeitung und schon gar nicht das gesamte Fallmanagement. In diesem Sinne stellt die insoweit erfahrene Fachkraft weder eine Interventionsinstanz, noch eine Beschwerdestelle und /oder eine Meldeinstanz innerhalb der Verfahrens der Risikoabschätzung i. e. S. oder der Fallbearbeitung überhaupt dar. Sie hat keine Entscheidungskompetenz im zu beratenden Kontext, keine Dienst- und Fachaufsicht und damit auch keine Weisungsbefugnis gegenüber den zu Beratenden.

Darüber hinaus lässt sich aus § 8a SGB VIII kein Beratungsauftrag für Kinder, Jugendliche und deren Eltern ableiten. Diese Aufgabe obliegt ausschließlich der fallzuständigen Fachkraft oder den beauftragten Fachkräften von Trägern von Einrichtungen und Diensten.

Im Sinne von Leitungsverantwortung ist die insoweit erfahrene Fachkraft keine Instanz der Kontrolle im Sinne von Dienst- und Fachaufsicht und mit Blick auf Controllingprozesse strukturell auch keine Instanz der Qualitätskontrolle (anders bei Qualitätssicherung) und Bewertung.

9. Anforderungen

Immer wieder steht die Frage nach den erforderlichen Voraussetzungen und Kompetenzen, um als insoweit erfahrene Fachkraft tätig sein zu können.

Grundsätzlich gilt es hier festzustellen, dass zunächst die Anforderungen der §§ 72 und 72a SGB VIII erfüllt sein müssen. Damit ist gesichert, dass ausschließlich Fachkräfte in diesem Sinne in Frage kommen und z. B. ehrenamtliche Mitarbeiter/innen der Jugendhilfe mit dieser Aufgabe nicht betraut werden können.

Zudem scheint es sinnvoll über eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung insbesondere in der Arbeit mit Krisen zu verfügen, was im Umkehrschluss u. a. Berufsanfänger/innen von der Übernahme dieser Aufgaben faktisch ausschließt.

Zudem sollten bestimmte Kernkompetenzen besonders ausgeprägt und entwickelt sein. Diese beziehen sich insbesondere auf:

  • ·        fachbereichsübergreifende Rechtskenntnisse (BGB, SGB V, VIII, IX, XII, FGG, Datenschutz, StGB),
  • ·        diagnostische Kenntnisse und Fähigkeit zum Erfassen und Bewerten riskanter Lebenssituationen,
  • ·        das Wissen über die regionale Angebotsstruktur und über entsprechende Netzwerke,
  • ·        die Fähigkeiten und Fertigkeiten in Gesprächsführung und Moderation von Gruppen,
  • ·        das Wissen um gruppendynamische Prozesse und Sicherheit im Umgang mit diesen,
  • ·        das Wissen um riskante kindbezogene Lebenssituationen bzw. entsprechende Risikofaktoren, deren Entstehung und Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung,
  • ·        die Fähigkeit zur Selbstreflexion,
  • ·        die Fähigkeit professioneller Balance zwischen Distanz und Nähe sowie Abgrenzung,
  • ·        die Kenntnisse über und Erfahrungen mit der Arbeit von Jugendämtern,
  • ·        die Kenntnisse über die Arbeit von Familiengerichten und Ermittlungsbehörden (Polizei, Staatanwaltschaft),
  • ·        das Wissen um den Auftrag und die Arbeitsweise weiterer kinderschutzrelevanter Institutionen, aus den Bereichen den Bildung (Kita, Schule), Gesundheit (Gesundheitsamt, Kliniken, niedergelassene Ärzte, Hebammen) , Soziales (Sozialamt, Betreuungsangebote) oder Arbeit (Arbeitsamt, Angebote der Berufsförderung und -ausbildung).

10. Methodik in der Arbeit

Die Einbeziehung der insoweit erfahrenen Fachkraft  geschieht zum Zweck der Qualifizierung der Risikoabschätzung. Dabei liegt es im Ermessen der Fachkraft wie sie dies methodisch orientiert an den Erfordernissen des Einzelfalls ausgestaltet. Hier ist es möglich die Mitwirkung u. a. anzubieten als:

  • ·        Einzelberatung,
  • ·        Gruppen- bzw. Teamberatung,
  • ·        Leitungsberatung bzw. Leitungscoaching,
  • ·        Expertise bzw. Bericht,
  • ·        Moderation,
  • ·        Vermittlung.

11. Ansiedlung

Gemäß § 8a Abs. 2 SGB VIII (Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung) haben Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, vereinbarungsgemäß sicherzustellen, dass deren Fachkräfte bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen.

Geleitet vom Fachkräftegebot des SGB VIII nach §§ 72 und 72a SGB VIII werden Mindestanforderungen an Fachkräfte der Jugendhilfe näher bestimmt und damit auch die insoweit erfahrenen Fachkräfte gemäß § 8a SGB VIII angesprochen.

Dies bedeutet zunächst, dass bei der Risikoabschätzung auf geeignete Fachkräfte sowohl öffentlicher als auch freier Träger, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, zurückgegriffen werden könnte.

In diesem Zusammenhang werden der insoweit erfahrenen Fachkraft gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt.

Neben der Betätigung als insoweit erfahrene Fachkraft ist die betreffende insoweit erfahrene Fachkraft des öffentlichen Trägers aber zweifelsfrei Mitarbeiter/in des Jugendamtes.

Gemäß § 8a Abs. 1 SGB VIII ist bestimmt, dass, wenn dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden, eigenverantwortlich das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen ist.

Dieses „Doppelmandat“ führt bei einer bei öffentlichen Trägern angestellten insoweit erfahren Fachkraft zwangsläufig dazu, dass diese einerseits Träger von Diensten und Einrichtungen berät und andererseits im Ergebnis der Beratung oder besser auf Grundlage der Erkenntnisse und Ergebnisse der Beratung mit dem Wissen um gewichtige Anhaltspunkte eigenverantwortlich als Mitarbeiter/in des Jugendamtes eine Risikoabschätzung vorzunehmen hat (§ 8a Absatz 1 – Risikoabschätzung) und in deren Ergebnis ggf. selbst zum Schutz des betroffenen Kindes handeln muss.

Diese Fragestellung wird ggf. noch weiter durch den Umstand verschärft, wenn sich das Ergebnis der Risikoabschätzung beim Träger einer Einrichtung oder eines Dienstes nicht mit der Einschätzung der Fachkraft des öffentlichen Trägers deckt, und die insoweit erfahrene Fachkraft von einer nicht ausreichenden Hilfe zur Abwendung der Gefährdung des Kindes ausgehen muss.

Dieser Rechtslage folgend muss das Jugendamt in der Rechtsgüterabwägung zwischen § 8a Abs. 1 und § 8a Abs. 2 auf das Angebot verzichten, den Trägern von Diensten und Einrichtungen der Jugendhilfe insoweit erfahrene Fachkräfte zur Verfügung zu stellen.

Dies hat zur Konsequenz, dass unter Beachtung der bereits ausgeführten fachlichen Prämissen freie Träger der Jugendhilfe eigenverantwortlich einen Pool von insoweit erfahrenen Fachkräften vorhalten müssen.

Dem öffentlichen Träger fällt im Sinne seiner Gesamtverantwortung die Rolle zu, die zum Einsatz gebrachten Fachkräfte gemäß fachlicher und persönlicher Eignung zu bestätigen. Dies setzt voraus, dass der öffentliche Träger entsprechende Empfehlungen zum Einsatz solcher Fachkräfte erarbeitet. Entsprechende Regelungen könnten in den gemäß § 8a Abs. 2 abzuschließenden Vereinbarungen fixiert werden.

Mitarbeiter/innen von Beratungsstellen und Kriseneinrichtungen (u. a. Notdienst, Krisentelefon) in öffentlicher Trägerschaft könnten ggf. per Dienstvereinbarung durch ihren Arbeitgeber von der Handlungsverpflichtung gemäß § 8a Abs. 1 befreit werden und so als insoweit erfahrene Fachkräfte für freie Träger zur Verfügung stehen.