M. Jannicke: Occupy Jugendhilfe

  • Ausgabe 4 / 2012

 

Ganze Staaten werden von irgendwelchen Agenturen auf den Status “teilweise zahlungsunfähig” herabgestuft. Die EU erklärt sich innerhalb eines Jahres bereit, ca. 1 Billiarde Euro nachzudrucken.

Der österreichische “Standard” kommentiert den Weltwirtschaftsgipfel 2012 wie folgt:

“… Selbstzweifel und Kapitalismuskritik haben die ökonomische und wissenschaftliche Elite okkupiert. Demnach ist der Kapitalismus westlicher Prägung mehr als 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und im fünften Jahr der Finanzkrise in einer Selbstfindungsphase. … Zum Kommunismus will niemand zurück, die reine Marktwirtschaft predigen aber selbst Spitzenmanager und Banker nicht mehr. … dass der Staat Vorgaben gibt – und sogar noch mehr vorgeben muss -, war überraschender Konsens.”[1]

Kurz:

Es mehren sich die Zeichen, daß ausgelöst durch anhaltende Banken und Staatskrisen das neoliberale Zeitalter zu Ende gehen könnte. Auch wenn Thiersch noch am 26.9.2011 konstatierte …

“In der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Situation, also im Zeichen des herrschenden Neoliberalismus, erzeugt der Primat der Ökonomie und des nackten Kapitalismus neue Spaltungen und Exklusionen.”[2]

… so verlieren doch lange als alternativlos hingenommene Steuerungspolitiken wie Deregulierung, Liberalisierung, Lohnzurückhaltung, Effizienzmaximierung zusehends an Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern wie auch in der Jugendhilfe. Logisch: Wenn “Chronisch-leere-Kassen-Staaten im Ruck-zuck-Verfahren den Kathedralen des Kapitalismus astronomische Geldsummen zur Verfügung stellen” (Ulrich Beck[3]) gibt es weder für unsere Klienten/-innen noch für Akteure der Jugendhilfe einen Grund, weiterhin jeden vermeintlichen Haushaltszwang unwidersprochen hinzunehmen.

 

Seithe von der FH Jena kommt zu dem Schluss, die seit bald 20 Jahren gezielt in Richtung New Public Management gesteuerte Jugendhilfe inkl. ihrer in Kauf genommenen Nebenwirkungen erfülle die politischen Erwartungen[4] nicht nur nicht, sondern konterkariere sie gar.[5]

 

So hat die manageriell- ökonomistische Umstrukturierung der sozialen Welt nicht einmal im Ansatz gehalten, was versprochen war: In den letzten drei Jahrzehnten sind weder die Aufwendungen für soziale Dienste gesunken, noch ist deren Effizienz nachweislich gestiegen. Soziale Arbeit ist sicher nicht besser steuerbar geworden und ob sie fachlich bessere Ergebnisse produziert, liegt sehr im Auge des Betrachters.

 

Wenn sich nun also eine vorsichtige Wende des Jugendhilfemainstream in Richtung Gemeinwohl statt Marktkonformität verstetigen sollte, wäre es Zeit für eine kritische Selbstreflektion. Zeit vielleicht, sich einzugestehen, daß die Steuerungspolitiken der vergangenen Jahre wohl von ihrem eigentlichen sozialpädagogischen Gehalt gleichsam entleerte, im Grunde rein neoliberale Gewinnmehrungsstrategien waren bzw. sind. Dann könnte Jugendhilfe sich erholen vom Berliner “Treberhilfe- Schock” und der nachfolgenden Berichterstattung, etwa im Tagesspiegel[6] oder im STERN. Und wichtiger, sie könnte Antworten finden auf folgende Fragen:

  • Wie konnte unsere Profession dermaßen krass von ihrem lange gewonnenen Wissensstand abkommen?
  • Was trug dazu bei, daß wir unsere fixen Begriffe und Konstrukte (“Partizipation“, “Lebensweltorientierung“, …) fast kritiklos einer neoliberalen Hegemonie zur Verfälschung und Fremdverwertung überließen?
  • Wie wird unsere Profession künftig ihre fachlichen Orientierungen finden, wo sich eben gezeigt hat, wie überfordert sie damit angesichts der Verlockungen des schnellen Geldes und der “managerialistischen” Selbstaufwertung war?
  • Wie findet sie das verlorene Vertrauen von Politik und Bevölkerung zurück, die z.T. am selben Tag in ein und der selben Zeitung von Selbstbedienungsskandalen sogenannter sozialer Unternehmen wie von kindlichen Todesopfern durch unzureichende Hilfsangebote Kenntnis nehmen mußte?

Sicher soll bei all diesen Fragen das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden: Die Jugendhilfelandschaft hat sich flexibilisiert und differenziert, sozialräumliche Regionalisierung und einiger Wettbewerb haben ihr eher nicht geschadet sondern genützt. Sicher können die Angebote der Jugendhilfe auch weiterhin nicht ohne Blick auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz betrieben werden. Aber die heutige Situation der Jugendhilfe zeigt, das der “aktivierende Staat[7]” insgesamt ein Zuviel an Ökonomisierung und Verbetriebswirtschaftlichung verlangt, das nicht mehr mit unserer Fachlichkeit und der Ethik unserer Berufe vereinbar ist. Die Gestaltung der Jugendhilfelandschaft des wertfreien Ziel- Mittel- Pragmatismus, als neoliberales Testfeld für andere gemeindepolitischen Felder, hat eine reflexive Praxis, die Bedarfe und Handlungspraxen im Sinne eigenlogischer Prozesse mit den Adressaten/-innen gemeinsam erzeugt, fast gänzlich paralysiert und neutralisiert.

Anhand einer zusammenführenden These soll im folgenden

  1. die Entwicklung hin zu dieser “enteigneten Sozialpädagogik” aufgezeigt werden.
  2. in kurzem Innehalten die Frage aufgeworfen werden, warum eigentlich sich unsere Profession an ihrer weitgehenden Eigendemontage so engagiert und kreativ beteiligt hat und
  3. zwei Anregungen gegeben werden, wie es nun weitergehen könnte.

 

1.  Wir haben es übertrieben mit der Ökonomisierung des Sozialen.

 

“Wir” heißt: Wir haben es selbst (mit) zu verantworten:
Spätestens Ende der 1980er Jahre, geistesgeschichtlich schon deutlich früher, war ein Verständnis von Sozialarbeit als politisch wirksamer Tätigkeit beerdigt worden, der Weg frei für die sog. “Professionalisierung” der Sozialarbeit (versus Gutmenschen- Laber- Kaffeetrink- Profession), für die bis heute anhaltende Debatte um ihre Effizienz. Der Einstieg war die vorderhand ganz unverdächtige Öffentlichkeitsarbeits- Debatte (tue Gutes und rede darüber, bewirb dein Tun als wäre es ein handelbares “Produkt”). Dann kam die Qualitätsdebatte und mit ihr gewann das gedankliche Bild eines Marktes Akzeptanz, auf dem “Dienstleistende” mit “Kunden” (Auftraggebenden und sog. Nutzern / Adressaten, nicht mehr Anspruchsberechtigten, Betroffenen oder gar Bürgern) über “Produkte” interagieren. Dieser Vorgang sollte – so das Professionalisierungsversprechen – eines Tages dahin führen, daß Effektivität und Effizienz dieses Marktes im angeblich entscheidenden ökonomischen Bezugsrahmen bewiesen und damit die politische Legitimation des Sozialen dauerhaft erzeugt werden könne.[8] Das Marktgebaren wurde durch den 3. Abschnitt des 1991 in Kraft getretenen KJHG im Sinne einer vollständigen Abkoppelung des Kontrahierungszwanges von jeglicher vorheriger Bedarfsprüfung erlaubt, ja angeregt – dies entsprach dem politischen Willen.

Wir hatten damals die Kohl’schen Worte von der “geistig-moralischen Wende” gehört, uns aber gar nicht vorstellen können, wie tief in die Struktur der ganzen Gesellschaft eingreifend diese Formel gedacht war und wie grundlegend ihre Denkmodelle und ihre administrative Exekution auf unseren Arbeitsgegenstand, das Soziale, einwirken würden.

Denn zunächst einmal – wer konnte denn etwas dagegen haben, das Gute auf besonders gute Weise zu tun (Qualität anbieten und bewerben), es auch als Gut anzubieten, auch sich bis zu einem gewissen Grad einem Wettbewerb zu stellen? Hatten wir nicht alle darunter gelitten, daß uns jederzeit jeder x- Beliebige in jeder x- beliebigen Weise vorwerfen konnte, uns unreflektiert mit unseren Klienten in deren Schwierigkeiten zu suhlen und ihre Probleme allenfalls zu tradieren, statt sie zu lösen?

 

“Ökonomisierung des Sozialen” :

Haben auch Sie noch in Ihrem Studium erklärt bekommen, als Sozialarbeiter im Amt mögen Sie nie vergessen: Es sei nicht Ihr Geld, sondern etwas, worauf berechtigte Bürger/-innen gesetzlich definierte Ansprüche haben? Seit vielen Jahren schon wird im Studium – und mehr noch in Leitungsweiterbildungen – das genaue Gegenteil gelehrt: Man könne ohne Ressourcenverantwortung den Job gar nicht zureichend erledigen.
Wohin das führte, zeigte vor einiger Zeit ein STERN- Artikel namens “Die Hilfsindustrie” mit dem abschließenden Bild aus der Erklärwerkstatt des Prof. Hinte, hier im Originalzitat:

„Einst litten die Menschen in Indien unter einer furchtbaren Plage: Kobras. Da hatte der britische Gouverneur eine clevere Idee: Wer den Behörden eine getötete Kobra brachte, bekam eine Rupie. Was machten die Inder? Sei züchteten Kobras, massenweise. Das Resultat waren mehr statt weniger Schlangen. … Nach diesem Prinzip funktionieren die deutschen Hilfesysteme.“[9]

In diesem Bild tritt – möglicherweise unbeabsichtigt – ganz eindeutig das neoliberale Weltverständnis zutage, mit dem Urgrund eines Menschenbildes vom homo oeconomicus. Desjenigen fiktiven Menschen, der wie eine logische Maschine Problemlösungsentscheidungen auf der Basis rationaler Kosten- Nutzen- Abwägungen trifft (und den die Ursachen eine Schlangenplage nicht im mindesten interessieren müssen). Wir wissen aber heute zweierlei über dieses Menschenbild:

1. Daß es nicht zutrifft. Daß nämlich die menschliche Rationalität viel komplexer und viel sozialer ist, als die Neoliberalen annehmen.
Zitat Volkswirt Armin Falk, Leibniz- Preisträger der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2010:

“Die wissenschaftlichen Befunde der Verhaltensökonomik zeigen, dass nicht alle Menschen eigennützig und rational sind. Und genau aus dem Rationalitätsglauben ergab sich ja das weitverbreitete Dogma gegen staatliches Handeln. Sind Märkte perfekt und und Menschen rationalegoistisch, dann ist ohne Staat alles wunderbar. Aber Experimente und Befragungen zeigen, dass Menschen beschränkt rational sind und soziale Motive eine wichtige Rolle spielen…”[10]

2. Daß die so kundenfreundlich daherkommende Formel vom Wunsch zum Willen gerade umkehrt, was wir vorher unter einem emanzipatorischen Bildungsansatz verstanden haben: Subjektive Bewertungsmaßstäbe, Präferenzen, Erwartungen – kurz: Wünsche und Willen unserer KlientInnen sind selbst sozialisatorisch erworben und beeinflusst, überformt durch die herrschenden Lebensbedingungen. In ihnen spiegeln sich die Umstände der jeweiligen Zeit, sie sind formbar.

Und sie werden geformt:

Eine Welt, die seit nunmehr drei Jahrzehnten zunehmend Armutsrisiken den Individuen zurechnet und die Aussicht einschränkt, durch individuelle Anstrengung die eigenen Lebensaussichten zu verbessern, während gleichzeitig Reichtum weiter besteht, nur anders verteilt wird; in einer solchen Welt mindern sich die Wünsche der Menschen. Sie passen sich an ein erreichbares Niveau an – und sollen ja auch – so die höchste fachliche Kunst – realistisch und erreichbar formuliert sein.

 

Gleiches gilt für uns selbst, die wir als Berufstätige uns auch kaum je noch fragen “Was macht uns glücklich, wie wollen wir gerne leben und tätig sein, was ist ein gutes Leben, was können wir von unserer Gesellschaft verlangen?”, statt dessen froh sein können, nicht in die Arbeitslosigkeit, ins gesellschaftliche Abseits oder die Armutsfalle zu geraten (Wenn wir Arbeit haben, verdienen wir oft nur geringfügig mehr als unsere Klientel Sozialhilfe bekommt).

Wenn wir also genau hinsehen, könnte es sein, daß gerade die Verkürzung der Orientierung auf den Willen[11] statt auf Einbezug auch der Wünsche[12] dazu beiträgt Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu verschleiern, Repressions- und Ausbeutungsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Die Frage nach einer Neujustierung der gesellschaftlichen Zielbestimmungen der sozialpädagogischen Zunft läge auf dem Tisch.

 

“Übertrieben” – heißt:

Es wurde zu lange zugesehen, sich stückchenweise gewundert, stückchenweise die Änderungen hingenommen, die Hoheit über Sinnzuschreibungen und Deutungen unserer Profession an andere gesellschaftliche Bereiche / Institutionen abgegeben. Bis heute steht die Soziale Arbeit im direkten Vergleich (Jugendhilfe / Schule, Jugendhilfe / Psychiatrie, Jugendhilfe / Ökonomie) blass da, weil sie sich in der kuscheligen Beziehungsnische versteckt und ihr Können nicht konfliktbereit genug verteidigt hat.

Und wenn in den vergangenen Jahren immer wieder einmal ein Jugendamtsdirektor öffentlich behauptete, Jugendhilfe könne oder wolle ihre Effekte und Leistungen nicht oder zu schlecht belegen, dann konnte man zuweilen das Gefühl bekommen, es mit masochistischem Irresein zu tun zu haben:

  • Beinahe jede noch so unsinnige Sparvorgabe wurde unkritisch übernommen,
  • die Repräsentanten kommunaler Jugendverwaltungen sind z.T. gar stolz auf ihre Übererfüllung,
  • beständig wird wider besseres Wissen und wider eindeutige wissenschaftliche Nachweise von der angeblich mangelnden Effizienz lamentiert,
  • gebetsmühlenhaft werden verbesserte Steuerungsinstrumente gefordert,
  • überholt eine Steuerungspolitik immer schon die vorige und überfordert die Angestellten in Jugend-, Sozial-, Renten- und Krankenverwaltung, Jobcenter usw. – um den Preis ihres Rückzugs in die innere Kündigung[13].
  • Mit Blick auf den w.o. schon erwähnten, ab 1991 legitimierten Kontrahierungszwang ohne vorherige Bedarfsprüfung heißt “übertrieben”, daß in den auf Basis dieser Vertragsgrundsätze zu Stande gekommenen Leistungsvereinbarungen alle wesentlichen Prüf- und Kontrollrechte der öffentlichen Hand suspendiert wurden. Wurde derlei damals wahlweise als Vereinfachungsmaßnahme oder als Verhandlungserfolg der Verbandsvertreter/-innen gefeiert, so stellt es heute die gesellschaftliche Legitimation des Sozialen insgesamt in Frage.

 

Übertrieben heißt aber auch: Wir haben geschehen lassen, daß …

  • … Kollegen wie der Berliner Geschäftsführer der Treberhilfe uns vorführten, wie man durch Maßlosigkeit einen sog. “sozialen” Betrieb genauso wie alle anderen Betriebe rechtskonform buchstäblich ausnehmen kann. (= manageriell einwandfrei leiten ! shareholder value !)
  • … unter Bezeichnungen wie „Familialisierung / Ambulantisierung“ z.T. ganz rückwärts gewandte Idealisierungen des Familienbildes zu prägenden Leitbildern sozialpädagogischen Handelns, die nötige kritische Reflektion dieser Ideologien mit den KlientInnen (im Sinne der Erweiterung ihrer Handlungsspielräume) eingestellt wurden, während es doch eigentlich nur um die sog. “Verarmung” der öffentlichen Haushalte ging, in deren Folge insbesondere kleinere Kinder z.T. jahrelang ganz unwürdige Zustände erdulden (ggf. sterben! [14]) müssen, bis das zuständige Jugendamt endlich eingreifendere Hilfen bewilligen kann; während gerade Mädchen (und noch einmal mehr solche mit Migrationshintergund) oft einschneidende Einschränkungen ihrer Selbstentfaltung hinnehmen müssen.
  • … die anfänglich fiktionalen Annahmen (Kunde, Produkt, Auftraggeber, Leistung, …) immer mehr die Kraft des Faktischen gewannen und SozialpädagogInnen sich inzwischen nicht nur oft wie Krämer behandeln lassen müssen, sondern heute zunehmend keine Alternativen haben, als sich selber wie Krämer zu verhalten, damit nicht irgendein anderer Krämer sich den Job schnappt.
  • … immer mehr Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit nicht mehr als (mindestens anteilig) selbstbestimmten Teil ihres Lebens gerne und engagiert tun (Leben und Arbeiten), sondern gerade eben das Nötige erbringen, damit ihre Lohntüte sich füllt. Oder sich abwenden, zynisch oder krank werden.
  • … die gutmütige alte „Gemeinwesenarbeit“ in die scharfkantige „Sozialraumorientierung“ verwandelt wurde (sicher nicht als solche ersonnen, wurde sie gern als Marktzutrittsbarriere instrumentalisiert, deretwegen plötzlich Mitarbeitende kohortenweise „auf Schulung“ geschickt werden konnten, sie diente als quasifachliche Universalberuhigung für alle vorgeblich alternativlosen Verwaltungsumstrukturierungen, -verschlankungen und -verdichtungen, wirkte letztlich wohl als eine Art Vortriebsschild für die Aushöhlung des Sozialen durch Ideen wie “Budgetierung” oder “Gewährleistungsverpflichtung”)
  • … die Anzahl mechanistischer, verheißungsvoll aufgemachter “tools”, Programme und Akronyme stetig stieg, die jedes für sich genommen natürlich immer nur einen kleinen Beitrag zu einer Problemlösung beitragen können, keinesfalls aber die originäre sozialpädagogische Kompetenz ersetzen können, die Dinge zum Nutzen der Menschen mit ihnen gemeinsam zusammen zur Anwendung zu bringen.
  • … die Personalstärke der Controlling- Abteilungen der Jugendämter bald die der ASD/RSD übersteigen wird, alles drei- und vierfach kontrolliert und formalistisch unterlegt wird, bis die Sozialarbeiter sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als zu warten, bis die Krise der Hilfesuchenden so zugespitzt ist, dass §42 als einzige dann noch mögliche Lösung aus dem Verwaltungssumpf hilft.
  • … derartige Prozesse gleichzeitig erhebliche Ressourcen verschlingen, worüber weder die eigentlich Anspruchsberechtigten noch die gegängelten Fachkräfte informiert werden (Beispiel Fachcontrolling Jugendhilfe Berlin: bisher 10 Millionen € fast effektfrei verbrannt[15])

 

2. Was war gut daran, dies alles mehr als 20 Jahre lang zu tolerieren, sogar mitzugestalten?

Sicher wird man konzedieren müssen, daß ab dem Jahr 1990 der komplette Ab- und Neuaufbau eines Staatswesens auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, bei Wegfall der Systemalternative, die ersatzlose Streichung jeder ethischen oder gar kapitalismuskritischen Sinnfrage erleichterte.

Die Auswirkungen dieses Systemwandels auf die sozialpädagogische Profession wurden auch von den Akteuren beidseits der Mauer überwiegend als randständig erlebt und nicht in ausreichendem Maße diskursiv begleitet.

 

Ebenfalls lohnend wäre ein Blick auf das Verhältnis der systemischen Theorie zur neoliberalen Hegemonie. Jedenfalls ist sie aufgrund der ihr eigenen konstruktivistischen Betonung der Funktionalität aller sozialen Phänomene gefährdet, die Illusion zu nähren, jedeR könne jederzeit und vollständig „seines / ihres Glückes Schmied“ sein. Ihr operationalisiertes Handlungswissen findet gerade vielerorts in der Jugendhilfe Verwendung; des eigentlichen Gehaltes beraubt, in wilder Mixtur von Versatzstücken, als Hintergrundmusik zur neoliberalen Zurichtung der Individuen (z.B. “Aktivierungsmanagement”!). Dies bedarf eines genaueren Hinsehens, einer „würdigenden Fachkritik“.

 

Und nicht zuletzt:

Man kann mit Blick auf den damalig herrschenden Tenor nahezu aller öffentlichen Diskurse eingestehen, daß man sich kaum entziehen konnte: “Hegemonie” meint ja eben die Vorherrschaft einer gesellschaftlichen Strömung und ihre Fähigkeit zur Etablierung kollektiver sozialer Ordnungen. Beispiele wie das bis Mitte 2005 in den Kommunen gerne praktizierte “Cross Border Leasing”[16] illustrieren im Rückblick eindrucksvoll, wie fahrlässig, naiv und gierig Haushaltspolitiker/-innen in jenen Jahren mit allen möglichen Verantwortungsbereichen umgehen konnten. Es waren die Jahre von Peanuts- Kopper[17], in denen jede/-r Kleinsparer/-in suggeriert bekam, Geld könne tatsächlich Geld vermehren und man selbst könnte durch den Kauf einiger T- Aktien sicher für Wohlstand im Alter sorgen.

 

Damit war ein Boden bereitet, auf dem es besonders einfach war, die Produktion sozialer Wohlfahrt als Anhängsel zu funktionalisieren, für die eine Existenzberechtigung allenfalls dann noch galt, wenn sie wenigstens unter Bedingungen entstand, über die irgendwelche Effizienzbehauptungen aufgestellt werden konnten. Eben jener Folie, auf der professionell Helfenden der vermeintliche Gewinn in Aussicht gestellt wurde, das Image als verweichlichte Gutmenschen endlich abstreifen und sich eine anerkannte, wertschöpfende Rolle im Produktionsprozess erobern zu können.

 

3. Was kann und sollte man angesichts der Krise der Ökonomie tun?

 

Erstens einmal wäre zu reparieren bzw. wiederherzustellen, was kaputt gemacht und weg reguliert wurde. Hierbei handelt es sich einerseits um Persönlichkeitsrechte von Betroffenen (Recht auf Eigensinn, Recht auf Wahl und Mitwirkung, Recht auf Widerspruch), andererseits vor allem um Kontroll- und Sanktionierungsmechanismen im System.

 

Zweitens wäre zu schauen, was Sozialpädagogen/-innen einmal vom “guten Leben”, von den Fähigkeiten zur Orientierung in und dem Umgang mit Anforderungen der eigenen Person und der Umwelt wussten und wollten. Sich von diesen Vorstellungen leiten lassen und alte / neue Räume (zurück)erobern, die es erlauben, als Profession wieder Forderungen an Gesellschaft zu formulieren und im Zweifel sich an einem solchen Kompass orientieren können. Dadurch wieder – durchaus bescheiden, in unserem professionellen Handlungsrahmen, aber doch aktiv – mitarbeiten an der Weiterentwicklung der “postkapitalistischen”[18] Gesellschaft.

 

1. Reparaturen im System

Zu reparieren, was schief gelaufen ist, ist vor allem eine Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe. Sie muß die Sorge umtreiben, diese Gesellschaft könnte die Aufgabe Jugendhilfe einmal nicht mehr als Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Solidarität anerkennen, wenn zu viele Profiteure sich im System selbst bedienen. Das ist der skandalisierende Subtext, der die Berichterstattung zu Verwerfungen im Jugendhilfesystem so bedrohlich erscheinen lässt – sei sie nun eher seriös recherchiert oder eher nicht.

 

Rahmenverträge / Fachaufsicht
Es hilft der wohlformulierteste Trägervertrag nicht, wenn weder Rahmenverträge angemessene Handhaben zu Kontrolle und Sanktion hergeben noch ausreichend Personal dafür vorgehalten werden kann. Vereinzelt wurde mit diesbezüglichen Reparaturarbeiten immerhin schon begonnen, indem etwa in Berlin Land und Verbände sich im November 2011 darauf einigten, daß die vereinbarungsgemäße Erbringung von Leistungen (1.) überhaupt wieder geprüft werden (!) und daß diese Prüfung ggf. sogar Folgen haben darf[19]. Es sei allerdings angemerkt, daß die vertragsschließende Landesbehörde zu ihrer Aufgabenerledigung quantitativ und qualitativ so ausgestattet sein muß, daß sie derlei Regelungen in den Regionen durchsetzen kann – kommen doch von dort, aus den Niederungen der täglichen Hilfepraxis, die Angebote und Forderungen der Lohn- und Standarddrücker und der Schnäppchenjäger[20]. Auch die “Verpflichtungserklärung zum Verhaltenskodex Transparenz[21], in der vergleichsweise weich formuliert wurde, daß die Verbände bei ihren Mitgliedern auf Beitritt zur Initiative Transparente Zivilgesellschaft hinzuwirken haben, liest sich achtbar, wird sich jedoch nach Ansicht des Verfassers in der Landschaft kaum von allein durchsetzen.[22]

Das faktische Fehlen einer wirksamen Fachaufsicht über regionale Jugendämter führt dazu, daß die Fachkräfte weiterhin gar nicht anders können, als nach Maßgabe eigener Rechts- und Pädagogikauffassungen zu verfahren – ein Wildwuchs, der die Bevölkerung einer in Teilen recht zufälligen Jugendhilfepraxis aussetzt. Zu fordern wäre demnach die Einführung einer bis in den einzelnen Hilfeplan durchgriffsfähigen Fachaufsicht bei der Landesbehörde und eine präzisere Regelung ihrer Kompetenzen im Land und in den Bezirken.

 

Partizipation, Aufklärung über Einspruchsrechte und Ombudschaft
Ein jüngst von Wiesner erstelltes Gutachten zur “Implementierung von ombudschaftlichen Ansätzen der Jugendhilfe im SGB VIII”[23] kommt zu dem überregional bedeutsamen Schluss, daß den leistungsberechtigten Personen zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte in der Administration Hilfe gewährt werden muß, und zwar zum Ausgleich von Nachteilen, die sie durch Ausgestaltung und Kontrolle fachlicher Entscheidungen der Kinder- und Jugendhilfe erfahren[24].

Zur Illustration: Wie oft …

  • … werden Beratungsleistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht oder schlecht erbracht? (so werden z.B. bestimmte Hilfen gar nicht angeboten; werden Fachkräfte angewiesen, informelle Verfahrensanweisungen den Klienten als stehendes Recht zu verkaufen, etwa: “Tagesgruppe dürfen wir nicht, sie müssen es erst ambulant versuchen, Wohngruppe darf nicht teurer sein als 100 €, ambulant und stationär kombinieren geht nicht”)
  • … werden KlientInnen mit zu geringformatigen oder gar keinen Hilfen bis ins Nimmerlein vertröstet? (z.B. Aneinanderreihung preiswerter ambulanter Settings, nur damit nicht gar nichts geschieht oder keine teurere Hilfe eingesetzt werden muß)
  • … werden Verwaltungsentscheidungen in rechtsfehlerhafter Weise oder gar nicht erteilt? (mündlich, zu spät, ohne Rechtsbehelfsbelehrung; wer kennt schon die Fristenregelung des
    §14 SGB IX?)
  • … findet umgekehrt rechtzeitige und vollständige Aufklärung über Widerspruchsrechte statt? (ohne die von Partizipation, „Augenhöhe“, von gemeinsamer Hilfeplanung natürlich nicht die Rede sein kann)

Die Installation einer möglichst unabhängigen Beschwerdeinstanz für die Bevölkerung, kombiniert mit der Verpflichtung der Andministration zu initial beratender Aufklärung über Einspruchsrechte scheint eine geeignete Maßnahme zu sein, mit der die dem Jugendhilfesetting immanenten Machtunterschiede zwischen Anspruchsinhabenden und -prüfenden verringert werden können.

 

Neoliberale Rest- Strategien
Ebenfalls zum Thema Reparaturen wird es wahrscheinlich gehören, die derzeit noch einmal auf die Tagesordnung gesetzte sozialräumliche Budgetierung möglichst zu verhindern – wie es bei der aus der gleichen Schublade stammenden sog. “A-Länder- Initiative” zumindest vorerst gelungen scheint.

Ein Blick auf eine brandaktuelle Studie über die marktlich noch viel stringenter zugerichtete Gesundheitsbranche zeigt, wie gerade das Instrument Budgetierung Vielfalt und Wahlmöglichkeiten der Hilfesuchenden einschränken würde:

“Infolge des verschärften Wettbewerbs im Gesundheitswesen hat es in den letzten zehn Jahren erhebliche strukturelle Veränderungen auf dem Krankenhausmarkt in Deutschland gegeben. … In verschiedenen Regionen Deutschlands machen Patienten immer öfter die Erfahrung, dass sie in ihrem regionalen Umfeld allenfalls die Wahl zwischen verschiedenen Krankenhäusern, aber nicht zwischen verschiedenen Krankenhausträgern haben. Wenn sie mit den Leistungen einer Trägerorganisation unzufrieden sind und zu einem anderen Anbieter wechseln wollen, müssen sie weite Entfernungen in Kauf nehmen. …Mangelnder Wettbewerb fördert langfristig die Anfälligkeit für Qualitätsprobleme. … Zwar sei es verständlich, wenn Fusionen und Vernetzungen von Krankenhäusern politische Unterstützung finden, weil man sich von großen Unternehmen mehr Effizienz und medizinische Qualität erhofft. Doch mögliche negative Auswirkungen, die sich oft erst langfristig bemerkbar machen, würden dabei zu oft ignoriert. Die Gesundheitspolitik solle sich verstärkt für die strukturellen Voraussetzungen eines Wettbewerbs einsetzen, der die Qualität im Gesundheitswesen langfristig nicht schwächt, sondern fördert.”[25]

 

Tarifzwang
Wenn ganze Rahmentarifwerke im Grunde auf der Idee beruhen, soziale Dienstleistungen unterhalb tariflich vereinbarter Löhne zu bezahlen, werden auch die seriösesten Anbieter gezwungen, mit relativ skrupellosen Geschäftemachern zu konkurrieren (und nicht nur das: Wer dazu nicht gute und “solidarische” Miene macht, verdirbt sich ganz schnell den eigenen Marktzutritt). Wiedereinführung eines Tarifzwangs für die freien Träger der Jugendhilfe hieße demnach eine weitere Baustelle, die allerdings Gegenstand einer den Rahmen der Jugendhilfe sprengenden Befassung sein müßte.

 

3.2. Vorschlag zur Neuorientierung: Das “gute Leben” –
Capabilities Approach als neues Fundament sozialpädagogischer Handlungstheorie

Neben der Auseinandersetzung um die hier ausführlich kritisierte ökonomistische Sozialarbeit profiliert sich derzeit der noch nicht ausreichend in die Basis kommunizierte sog. “Capabilities Approach” als Vorstellung von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession. Hierin ist m.A.n. der aktuell einzige hinreichend schlüssige und gesellschaftspolitisch fundierte Ansatz zu sehen, mit dem Sozialpädagogik ihre derzeitige Sinnkrise überwinden könnte.

Er geht auf die gerechtigkeitstheoretischen Grundgedanken des Nobelpreisträgers Amartya Sen[26] und der Rechtsphilosophin Martha Nussbaum zurück, die die Frage nach dem “guten Leben”, genauer: einer gelingenden praktischen Lebensführung, in den Mittelpunkt stellen. Es geht damit nicht mehr nur um die Befähigung der Individuen zur Bewältigung externer Handlungsanforderungen (“employability”[27]), sondern um tatsächliche Chancen, die einem Individuum aufgrund seiner Anlagen und dem realen und sozialen Ort seiner Menschwerdung zur Verfügung stehen. Hierzu formulierte Nussbaum eine Liste von Befähigungen, die der Mensch benötigt, um auf der Grundlage seiner biologischen Wesensmerkmale ein gedeihliches Leben führen zu können[28]. Entscheidend dabei ist keineswegs nur, welche Chancen einem Menschen theoretisch offen stehen, sondern ob ihm deren Verwirklichung aufgrund der bis dahin erworbenen Befähigungen tatsächlich möglich ist.

 

Damit ist das Feld der Erziehung und Bildung eröffnet: Wenn beispielsweise zwar jedem Kind in Deutschland der Zugang zu einer höheren Schulbildung de jure offensteht, so kann deshalb noch lange nicht jedes Kind diese Option tatsächlich verwirklichen. Es muß sich auch guter Gesundheit erfreuen und diese erhalten können, es muß eine angemessene Unterbringung zur Verfügung haben und gegen Gefahren gut geschützt sein. Es braucht Raum und Zeit zum Spielen, um sich zu erholen und neugierig zu explorieren. Es benötigt die Fähigkeit, sich die eigene Zukunft vorzustellen, Ziele und eigene Bedürfnishierarchien zu bilden und ihren Abgleich mit denen anderer Menschen zu erlernen. Es bedarf bis zu einem gewissen Grad auch der Erfüllung des Bedürfnisses nach Zugehörigkeit wie nach Autonomie.

 

Man sieht an diesem Beispiel sehr schön, wie die vielen verschiedenen Befähigungen am Ende zwar das Ergebnis “employability” (nach heute verfügbarem Wissen höchst wahrscheinlich) hervorbringen mögen, wie viel größer aber der Chancenreichtum ist, den Erziehungs- und Bildungsprozesse (Ermöglichungsprozesse) auf dem Weg dahin eröffnen – und wie anders sich das Ganze noch einmal darstellen mag aus der Perspektive des Kindes, das innerhalb des individuell verfügbaren Lebensrahmens Zug um Zug seine Entscheidungen für oder gegen diesen oder jenen Weg treffen kann oder nicht[29].

 

Ebenfalls wird der gewissermaßen “überpolitische” Charakter des Capabilities Approach augenfällig in dem Sinne, daß die tatsächliche Erreichung vorab definierter, statistisch erfassbarer Zielindikatoren nicht das Ende der fachlichen Kunst bleiben. Sondern statt dessen die Zielformulierung des SGB I Abs. 1 Satz 2, “gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen”, die Frage nach den tatsächlich eröffneten Freiheits- und Autonomiespielräumen zum Maß der Dinge (und der Evaluationen) wird. Dies würde auch eine Revitalisierung des sog. “Einmischungsauftrages” der Jugendhilfe ermöglichen – mit dem Ziel einer wiederauflebenden Werte- und Nachhaltigkeitsorientierung im herrschenden Bewirtschaftungssystem der Jugendhilfe.

 

Dann müßten Sozialpädagogen in Ausübung ihrer sozialpolitischen Professionsfunktion (beim “Marsch durch die Institutionen”) wieder mit ihren Klienten zusammen den Mut und die Kraft aufbringen, neu nach dem “guten Leben” zu fragen, bis in jeden Hilfeplan, jede Bildungs- oder Trainingsmaßnahme, jede Einrichtung hinein.

 

Welche Sprengkraft dies hätte, verstünden es jugendhilfepolitisch verantwortlich Handelnde es einmal ernsthaft als Verwirklichungsauftrag im sozialen Raum!

 


[1]              http://derstandard.at/1326503975220/Der-Gipfel-der-Zweifler

[2]              zit. nach “Erziehungshilfen im Spiegel der Geschichte – wo stehen wir heute?”, Forum Erziehungshilfe, Jg. 18 / 2012, Heft 1, Seite 5

[3]              Ulrich Beck in der ZEIT, 9.2.2012, Seite 3

[4]              Das waren: Enthierachisierung der Sozialen Arbeit z.B. in den Ämtern, mehr Bürgernähe und Bürgerbeteiligung, mehr Phantasie und Ideen in der Sozialen Arbeit, mehr Anerkennung durch die Gesellschaft, mehr Qualität und so fort.

[5]              vgl. ihren Vortrag “Die problematische Geduld unserer Profession angesichts der aktuellen Lage der Sozialen Arbeit”, gehalten auf der “Arbeitstagung Kritische Soziale Arbeit” in Berlin im Juni 2011, auf http://sozialearbeit.einmischen.info/__oneclick_uploads/2011/07/seithe-vortrag-letzte-fassung.pdf

[6]              “Hilfe zur Selbstbedienung”, Tagesspiegel Berlin am 23.8.2011

[7]              vgl.: “Der aktivierende Staat – Positionen, Begriffe, Strategien”, Lamping / Schridde / Plaß / Blanke, Friedrich- Ebert- Stiftung, Bonn, 2002, http://library.fes.de/pdf-files/stabsabteilung/01336-1.pdf

[8]              Daß es aber nicht mehr als euphemistische Okkupation war, zeigt die heute ganz ernsthafte Verwendung des Kundenbegriffs selbst für Strafgefangene, denen nun wahrlich Eigenschaften der Entität “Kunde” kaum zugerechnet werden können.

[9]              Stern 8/2011, Seite 92 ff.. Kleiner Hinweis am Rande auf die in diesem Bild steckende semantische Anspielung, die die professionellen Helfer in die Nähe eines lebensgefährlichen „Natterngezüchts“ rückt. Trotz ihres gefährlichen Giftes und ihrer Aggressivität würde übrigens kein gläubiger Hindu eine Kobra, die Inkarnation Shivas, töten, würde er doch damit sein Kharma gefährden, seine Fruchtbarkeit vermindern, Trockenheit heraufbeschwören und/oder den Kontakt zu den Seelen verstorbener Vorfahren schwächen.

[10]             zit. aus Zeit 2/2009

[11]             in der SRO- Diktion gleichbedeutend mit einer relevanten, mit Aktionspotential aufgeladenen, konreten und überprüfbaren Zielsetzung

[12]             in der SRO- Diktion gleichbedeutend mit hilfeplanuntauglichen weil wolkig formulierten, kaum eigene Mitwirkung anregenden, Spontanverlangen

[13]             Conen verdeutlicht anhand vieler Fallbeispiele aus ihrer jüngeren Beratungspraxis, wie Übernormierung, Gängelung, Arbeitsverdichtung, unwürdige Arbeitsverhältnisse und Unterbezahlung in Burnout, Resignation und professionelle Erkaltung münden: M.L. Conen, “Ungehorsam- eine Überlebensstrategie: Professionelle Helfer zwischen Realität und Qualität”, Carl- Auer- Systeme- Verlag, Heidelberg, 2011

[14]             Wie etwa das schon 11 Jahre alte Mädchen Chantal, deren Leidensgeschichte die Journalistin Susanne Gaschke ebenso knapp wie eindringlich in ihrem Artikel “Irgendjemand ließ Chantal sterben” in der ZEIT vom 2.2.2012 geschildert hat.

[15]             Drucksache 16/14449 des Berliner Abgeordnetenhauses vom 26.5.2010, in der die Senatsverwaltung für Finanzen einräumen musste, daß das auf “indirekte Einsparungen” und “verbesserte Cotrollingmöglichkeiten” zielende, seit 8 (!) Jahren in Entwicklung befindliche, ohne Ausschreibung eingekaufte Datenerhebungsprogramm nicht mit den Hilfen zur Erziehung kompatibel und die Auswirkungen nicht quantifizierbar seien.
http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-14449.pdf

[16]            Eine Praxis, bei der die von öffentlichen Mitteln einstmals beschafften, für den heutigen Staat aber teuer zu unterhaltenden kommunalen Klärwerke, Kanalsysteme, Kraftwerke, Trinkwassersysteme, Straßen- und U-Bahnen, Schienennetze, Messehallen, Schwimmbäder, Schulen, Kranken- oder sogar Rathäuser an ausländische Investoren verkauft oder langfristig verpachtet und gleichzeitig für einen kürzeren Zeitraum zurückgemietet werden – das Gemeinwesen profitiert nur in den ersten Jahren, wird danach praktisch ausgeplündert. ZEIT online: http://www.zeit.de/2009/12/DOS-Cross-Border-Leasing/komplettansicht

[17]             Hilmar Kopper, damaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, benutzte den Ausdruck „Peanuts“ im Zuge der Insolvenz des Immobilienunternehmers Jürgen Schneider für offene Handwerkerrechnungen im Wert von 50 Millionen DM (inflationsbedingt heute ca: 32,9 Millionen Euro).

[18]            siehe noch einmal das erste Zitat am Anfang dieses Textes aus dem STANDARD

[19]             Beschluss 10/2011 der Berliner Vertragskommission Jugend, Textziffern 9.4. und 15.1..

[20]             Derzeit etwa läuft eine schwarmartige Telefondebatte zu einer Anfrage eines regionalen öffentlichen Trägers, ob sich nicht ein Träger fände, der die Leistung einer Jugendwohngemeinschaft bei gleichem Leistungsumfang mit nur 8 statt wie bisher 12 FLS- Äquivalenten anbieten könne – inkl. heißer Spekulationen, welche Träger sich wohl als erste dazu bereit finden werden.

[21]             http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-jugend/rechtsvorschriften/brvj/liga_erklaerung_vereinbarung_transparenz.pdf?start&ts=1328185702&file=liga_erklaerung_vereinbarung_transparenz.pdf

[22]             vgl. die öffentliche Diskussion um die Bindungswirkung von Selbstverpflichtungserklärungen etwa bezügl. der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen oder bezügl. Datenschutz in der Welt des world wide web.

[23]             http://www.brj-berlin.de/uploads/media/Rechtsgutachten_2012_02.pdf

[24]             ebenda, Seite 8

[25]             Forschungsmitteilung der Universität Bayreuth vom 13.3.2012 auf: http://idw-online.de/de/news467710

[26]             Amartya Sen, “Equality of What?”, The Tanner Lecture on Human Values, Stanford University, 22.5.1979

[27]             http://de.wikipedia.org/wiki/Beschäftigungsfähigkeit

[28]             Martha Nussbaum, “Frontiers of Justice. Disability, Nationality, Species Membership”, Cambridge/London, Belknap 2006, S. 76-78. Die Liste ist in der aktuellen deutschen Übersetzung auf Wikipedia zu finden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Capability_Approach

[29]             … und für das die Bezeichnung “Bürger”, “Anspruchsberechtigte”, “Betroffene” o.ä. quasi automatisch rehabilitiert, die Bezeichnung “Kunde” dagegen dispensiert würde.