Ein Projekt im Rahmen fallunspezifischer Arbeit in Marienfelde
Im Dezember 2009 startete die JaKuS gGmbH im Auftrag des Jugendamtes Tempelhof-Schöneberg das Projekt „Übergang Kita-Grundschule gestalten“. Im Rahmen von und finanziert aus Mitteln fallunspezifischer Arbeit wird in Marienfelde – einer Region im Süden des Bezirks mit 30.000 Einwohnern, zwei Grundschulen und verschiedenen Kindertageseinrichtungen – ein Prozess zur vertieften Kooperation von Kita und Grundschule durch den regionalen Jugendhilfeträger JaKuS konzipiert, moderiert und begleitet.
Beteiligte
Die relevanten Akteure im Projekt sind Leitungs- und Fachkräfte der Kiepert-Grundschule und von vier Kindertageseinrichtungen im Einzugsbereich dieser Schule. Eine Mitarbeiterin von JaKuS agiert als externe Prozessbegleiterin während der begleiteten Phase des Projekts. Die Gruppe umfasst zehn Fachkräfte.
Ziel
Ziel ist es, mit der beteiligten Kitas und der Grundschule ein gemeinsames pädagogisches Konzept zu erarbeiten, nach dem künftig standardisiert der Prozess des Übergangs Kita-Grundschule verläuft. Dabei wird nach der begleiteten und moderierten Phase von mehreren Monaten ein sich selbsttragender Bildungsverbund der beteiligten Einrichtungen angestrebt. Dieser soll eine nachhaltige Vernetzung mit sich bringen und damit eine fortlaufende Kommunikation im Interesse der Eltern und Kinder an der Schnittstelle zwischen Kita und Grundschule gewährleisten.
Handlungsmaxime
Das zentrale Anliegen der phasenweisen Begleitung besteht darin, den Erfahrungsaustausch zwischen Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen anzuregen und ihre unterschiedlichen Vorstellungen und Kompetenzen in die Arbeitsgruppe einfließen zu lassen. Gemeinsam werden Ideen und Konzepte für die praktische Gestaltung des Übergangs von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule erarbeitet. Die Arbeitsgruppe ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch ein Raum, um Transparenz, Offenheit und Verständnis für die jeweils andere Profession zu entwickeln. Kommunikation und Partizipation sind die wichtigsten Handlungsmaxime.
Auswahl der Beteiligten
Im Einzugsgebiet der Kiepert-Grundschule befinden sich mehrere größere Kindertagesstätten kirchlicher, kommunaler und privater Träger, aber auch Elterninitiativ-Kitas und eingruppige Einrichtungen. Im Jahr 2010 wurden Kinder aus insgesamt 22 Einrichtungen an der Schule aufgenommen.
In ersten persönlichen Kontakten zwischen Jugendamts-Regionalleitung und JaKuS mit Schul- und Hortleitung zur Initiierung des Projektes wurde ein großes Interesse deutlich, mit umliegenden Kitas eine intensivere Kooperation herzustellen. Dabei wurden sowohl Einblicke in bestehende Kooperationsstrukturen der Schule vermittelt als auch Vorstellungen über Veränderungen bzw. Optimierung bestehender Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zu den Kindertagesstätten aber auch zu anderen Grundschulen in der Region.
Ein erstes Kriterium für die Kontaktaufnahme zu Kindertagesstätten war die durchschnittliche Anzahl der jährlich von der jeweiligen Kita in die Grundschule übergehenden Kinder, um für eine möglichst große Zahl an Kindern und deren Familien Veränderungsprozesse zu starten. Es war außerdem zu vermuten, dass es zwischen den größeren Institutionen und der Grundschule bestehende Kooperationsstrukturen gibt. Folglich würde es möglich sein, an bereits entwickelte Konzepte und Strukturen anzuknüpfen und von gegenseitigen Erfahrungen profitieren zu können.
Ein weiteres Kriterium war eine möglichst breite Vielfalt an Trägern die repräsentativ für die Trägerlandschaft Berlins im Bereich der Kindertagestätten ist, an diesem Projekt zu beteiligen und deren unterschiedliche Konzeptionen und Rahmenbedingungen als gewinnbringenden Aspekt mit einzubeziehen.
Nachhaltigkeit
Wichtig im Sinne einer Nachhaltigkeit der initiierten Prozesse ist, dass die Teilnahme, die Bereitschaft und die Möglichkeit zur weiteren und längerfristigen Zusammenarbeit, auch über die begleitete Projektphase vorhanden sind. Hierbei ist nicht nur der Wunsch nach Teilnahme der einzelnen Institution ausschlaggebend, sondern deren Rahmenbedingungen – personelle und fachliche Ressourcen und die Bereitschaft des Trägers, Konzepte auszutauschen, Personal bereit zu stellen, Offenheit gegenüber Neuerungen etc. – die ein kontinuierliches Arbeiten in einer institutionen- und trägerübergreifenden Arbeitsgruppe erst möglich machen.
Zielgruppen des Projektes
In der Umsetzungsphase des Projektes werden zwei Zielgruppen unterschieden: die Akteure und die Bewältiger. Zur Gruppe der Akteure gehören in diesem Fall die pädagogischen Fach- und Leitungskräfte der beteiligten Einrichtungen. Bewältiger bzw. auch Adressaten sind die Eltern und Kinder die von der Kita in die Grundschule wechseln. Die Akteure werden in der ersten Phase durch die externe Prozessmoderation begleitet, ein ganzheitliches Konzept für den Übergang Kita – Grundschule und damit für einen zukünftigen Bildungsverbund zu erarbeiten. In der Umsetzungsphase, zum Schuljahr 2010/2011 erproben sie dieses dann gemeinsam mit den Bewältigern, den Kindern und Eltern.
Theoretische Grundlagen
Das Team gründet seine Projektplanung auf der Grundlage der nachfolgend kurz skizzierten wissenschaftlichen Grundlagen:
Transitionen werden als zeitlich begrenzte Lebensabschnitte definiert, die markante Veränderungen hervorrufen können. Sie werden als komplexe, ineinander übergehende Wandlungsprozesse angesehen und stellen sich als sozial prozessierte, verdichtete und akzelerierte Phasen eines Lebenslaufs und in sich verändernden Kontexten dar.
Übergänge begegnen uns in den verschiedensten Lebensphasen und sind wichtige Entwicklungsaufgaben jedes Einzelnen, denn innerhalb dieser Phase kommt es zu einer Kumulation unterschiedlicher Belastungsfaktoren. Die Anpassung an diese Veränderungen auf der individuellen, der interaktionalen und der kontextuellen Ebene muss durch eine qualitative Neugestaltung innerpsychischer Prozesse und Beziehungen geleistet werden, wobei das Vorige in das Gegenwärtige integriert wird und bei einem positiven Verlauf sich ein Kompetenzgewinn zeigt.
Für den Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule kann man daraus eine Komplexität herausarbeiten, die für alle eine große Herausforderung bedeuten.
Die Anforderung, die das Kind auf der individuellen Ebene zu bewältigen hat, ist die Veränderung der Identität, d.h. vom Kita-Kind zum Schulkind. Dazu kommt die Bewältigung starker Emotionen, wie Vorfreude, Neugier, Stolz, aber auch Unsicherheit, Anspannung, Belastung, Verlustgefühl und Angst. Ein erforderlicher Kompetenzerwerb, u.a. in Hinblick auf die Selbständigkeit, das Erlernen von Kulturtechniken und neuer Verhaltensweisen, fordert die Kinder ebenfalls heraus.
Auf der interaktionalen Ebene entstehen Anforderungen durch die Aufnahme neuer, aber auch durch den Verlust bestehender Beziehungen. Hinzu kommen Anforderungen aus dem Rollenzuwachs als Schulkind und auch durch die damit verbundenen Erwartungen und Sanktionen der Erwachsenen. Auf der kontextuellen Ebene ist die Integration der Lebensbereiche Schule und Familie zu bewältigen. Aber auch die Veränderung des Curriculums und der Lernmethoden sowie der Techniken stellen für das Kind weitere Herausforderungen dar. Die damit verbundene Auseinandersetzung mit den verschiedenen Lebensräumen und ggf. mit der Bewältigung weiterer Übergänge stellen das Kind und seine Familie vor große Aufgaben.
Es können hier nur einige ausgewählte Anforderungen genannt werden, die an das Kind, aber auch an seine Familie gestellt werden. Für die Eltern stellt der Übergang eine mehrfache Belastung dar, und zwar als Unterstützer ihres Kindes und in der Bewältigung des eigenen Übergangsprozesses. Hinzukommen die eigenen Vorstellungen und Schulerfahrungen sowie daraus resultierende Erwartungen. Eine Ambivalenz an Gefühlen ist auch bei den Eltern erlebbar, denn auch Freude und Stolz gehören zum Prozess. – Hieraus folgt, die Aufmerksamkeit nicht nur auf das Kind zu legen, sondern Formen der Elternarbeit zu finden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Eltern gerecht werden.
Erste Schritte – Auftakt-Workshop
Für die Gruppe aus erfahrenen Fachleuten für frühkindliche Bildung und Erziehung stand zunächst eine gründliche inhaltliche Vertiefung des Themenbereichs Transitionen mit dem Schwerpunkt Transition vom Elementarbereich (Kindergarten/Kindertagesstätte) in die Grundschule im Vordergrund. Da es sämtlich erfahrene Fachleute sind, musste das Thema vertieft, nicht erarbeit werden.
Auf der Basis einschlägiger wissenschaftliche Literatur, relevanter Thesen und Erkenntnisse wurde eine theoretische Grundlage für das weitere Vorgehen ausgewählt. Bereits entwickelte und in der pädagogischen Praxis erprobte Modellprojekte für Übergänge zwischen Kindergarten und Grundschule (z.B. die Ergebnisse von TransKiGS) wurden gesichtet und in Anlehnung an diese wurden erste Handlungsschritte entwickelt.
Das nahm einen Teil des ganztägigen Auftakt-Workshops im Mai 2010 in Anspruch. Der Tag wurde durch die Prozessbegleiterin von JaKuS moderiert, unterstützt durch eine externe, erfahrene Moderatorin im Bereich Pädagogischer Fortbildungen für Lehrer und Erzieher. Beide lieferten den fundierten theoretischen Input. Im Weiteren Verlauf konstituierten sich die Projektteilnehmer an diesem Tag zu einer Gruppe, die gemeinsam ihre Erwartungen, Zielsetzungen und Wünsche im anstehenden Prozess, sowie mögliche Stolpersteine erörterte. Es wurde eine Vereinbarung zum weiteren Vorgehen und zur Arbeitsstruktur verabschiedet.
Pilotphase, Zwischenauswertung
Auf den zwei folgenden ganztägigen Treffen aller beteiligten Fachkräfte im Herbst 2010 wurde die fachliche Auseinandersetzung im Hinblick auf die Implementierung eines pädagogisches Konzepts fortgesetzt und an der Entwicklung und Beschreibung von konkreten gemeinsamen Übergangs- und Kooperationselementen gearbeitet.
Es war zunächst wichtig, sich über bestehende Übergangskonzepte auszutauschen und sich anhand von „Best-Practice“ Beispielen ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten. Dabei wurden alle Bewältiger im Prozess bedacht und Vorgehensweisen für die Gestaltung des Übergangs für die Elternebene und die Ebene der zukünftigen Schulkinder beschrieben.
Im Ergebnis der und parallel zu den Arbeits-Treffen werden erste entwickelte Übergangselemente in einer Pilotphase probeweise umgesetzt. JaKuS fungiert in dieser Zeit als koordinierender Ansprechpartner, der die Erprobung beobachtet und den Gesamtprozess überwacht. Auf bilateraler Ebene finden Kontakte der Einrichtungen und von Kitaeltern mit den Eltern der gegenwärtigen Schuleingangsphase statt.
Die laufende Zwischenauswertung der gesetzten Ziele und des Kooperationsprozesses prüfte den Stand der Umsetzung der Elemente des Veränderungskonzeptes und die Einschätzung aller Beteiligten zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung. Auf Basis der Ergebnisse fand die weitere Feinabstimmung statt, sowie die Weiterentwicklung des Übergangskonzeptes.
Info-Flyer
Neben dem regelmäßigen Austausch mit den Eltern sind detaillierte Informationen für sie eine wichtige Basis, um eine positive Entwicklungsbegleitung auch im Übergang realisieren zu können. Ein Baustein der Kooperation in Bezug auf verbesserte Kommunikation und Transparenz ist ein Informationsflyer, der von den beteiligten Einrichtungen an die Eltern der zukünftigen Schulkinder ausgeteilt werden soll.
Dieser wird gemeinsam erarbeitet und veröffentlicht, mit Logos der beteiligten Einrichtungen versehen und dient somit neben der Information auch der Darstellung der Intention, der Identifikation der Gruppe und als wichtiges Instrument zur Außendarstellung des entstandenen Netzwerkes in der Region.
Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung
Über Anliegen, geplanten Verlauf und Zwischenstand des Projektes wurde auf regionalen und Fach-Arbeitsgruppen berichtet und diskutiert. Dazu zählen die Regionale AG nach § 78 SGB VIII und das fua-Team Marienfelde, sowie die Lenkungsrunde Schule-Jugendhilfe des Bezirkes. Hier stellten zwei weitere Jugendhilfeträger gelungene Schnittstelle-Projekte zwischen Jugendhilfe und Schule im Bezirk vor. In Folge der regionalen Öffentlichkeitsarbeit konnte eine weitere interessierte Kindertagesstätte in den laufenden Prozess der Gruppe einsteigen.
In einem Austausch mit dem Beauftragten des Bildungsverbundes Marienfelde – einem Gemeinschaftsprojekt von Wohnungsbaugesellschaft und bezirklichem Jugendamt für sämtliche Bildungseinrichtungen der Region – wurden Intentionen, Ziel- und Umsetzungen beider Initiativen mit dem Ziel erörtert, Anschlüsse zu sichern und ressourcenaufwendige Dopplungen zu vermeiden.
Arbeitstreffen zur Auswertung
Abschließend ist ein Arbeitstreffen zur Auswertung die begleitete Modellphase im Frühjahr 2011 geplant. Es geht um eine Evaluation, einschließlich einer Prozessauswertung. Im Vorfeld werden die Beteiligten anhand eines Fragebogens den Prozess vorbereitend reflektieren. Nach der Initiierung und Begleitung des gemeinsamen Arbeitsprozesses der Gruppe umfasst das Treffen die Themen:
- Was braucht die Arbeitsgruppe an weiterer externer Prozessbegleitung zum selbstorganisierten Verbund und zur Verstetigung?
- Welche Ziele wurden erreicht?
- Wie kann die inhaltliche Arbeit weiterentwickelt werden?
- Was war im bisherigen Prozess hilfreich?
- Was hat den bisherigen Prozess erschwert oder konstruktives Arbeiten verhindert?
- Wie gelingt die Vernetzung mit anderen regionalen Bildungseinrichtungen?
Die Ergebnisse des bisherigen Prozesses – eine Kooperationsvereinbarung der Beteiligten einschließlich entwickelter und erprobter Instrumente des Übergangs – werden in Anwesenheit des Regionalen Jugendamtes präsentiert und erörtert.
Resümee
- Mit einem überschaubaren Einsatz finanzieller Mittel des öffentlichen Jugendhilfeträgers konnte in der Region Marienfelde des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg ein Prozess zur vertieften Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Grundschule durch den regionalen Jugendhilfeträger JaKuS konzipiert, gestartet und begleitet werden.
- Das Kooperationsinteresse und die Kooperationsbereitschaft der beteiligten Grundschule und vier Kindertageseinrichtungen sind hoch.
- Die beteiligten Einrichtungen waren und sind bereit und in der Lage, die notwendigen eigenen, vor allem personellen Ressourcen für den Prozess bereitzustellen.
- Durch die aktive Einbindung der relevanten Fachkräfte und die Nutzung ihrer vorhandenen Erfahrungen und Strukturen ist eine Nachhaltigkeit des begonnenen Prozess gesichert.
- Zugewinn für die beteiligten Pädagogen: zusätzliche Qualifikation
- Eine gleichwertige Partnerschaft zwischen Schule und Kita ist gewollt und machbar.