Kaiser, J.: Kleine Kinder in der Mutter-Vater-Kind-Gruppe

Die Bedürfnisse eines Säuglings- und Kleinkindes zu erkennen und richtig zu deuten, ist für Eltern nicht immer leicht. Sprechen kann das Baby nicht, aber es hat eine Vielzahl von Möglichkeiten sich auszudrücken. Durch Blickverhalten und Laute des Wohlbefindens und Unwohlseins werden Bedürfnisse kundgetan.

Ein Neugeborenes ist eine individuelle Persönlichkeit. Das Kind kommt mit vielen Merkmalen zur Welt, die seine Persönlichkeit ausmachen. Woher sollen das aber junge Mütter im Alter von 14 bis 18 Jahren wissen. Sie befinden sich in der Adoleszensphase. In diesem Stadium reift der Mensch vom Kind zum Erwachsenen heran.

Was bedeutet es für die jungen Frauen in dieser Zeit ein Kind zu erwarten, auszutragen und großzuziehen. Junge Mütter die sich in dieser Entwicklungsphase befinden, müssen Entscheidungen treffen, die ihr bisheriges Leben verändern. Wie sollen sie damit zurechtkommen, biologisch als erwachsen gesehen zu werden, aber emotional und sozial noch nicht vollends gereift zu sein und darüber hinaus Verantwortung für ein eigenes Kind zu übernehmen? Auf der einen Seite steht der Wunsch, dem Kind Nähe und Zuverlässigkeit zu geben und auf der anderen Seite gibt es die alltägliche Erfahrung von Frustration, Ärger, Überforderung und Angebundensein. Es fehlt den jungen Müttern und Vätern noch an Kompetenz zur Erziehung und Herstellung einer guten Beziehung, auf Grund der eigenen Unreife und durch den selbst erlittenen Mangel in der eigenen problematischen Familie. Das kann sich ungünstig auf die Entwicklung ihres Kindes auswirken, da sie nur wenig in der Lage sind, auf die Bedürfnisse eines Säuglings und Kleinkindes einzugehen. Die allgemeinen Belastungen erschweren den einfühlsamen Umgang und Aufbau einer sicheren Bindung an die Eltern. Ob es ein Schreikind ist oder ein Baby, das schon nach 2 Monaten durchschläft, weiß man nicht. Erst wenn es soweit ist, kann es die letzten Nerven kosten. Jedoch sind nicht immer die berühmten Blähungen daran schuld, sondern zum Beispiel die Verarbeitung einer schwierigen Geburt, Anpassungsschwierigkeiten des Neugeborenen, sowie eventuell fehlende Nähe und Zuwendung.

 

Wie können wir den jungen Müttern und Vätern helfen, zu erkennen, was ein Kind braucht?
Wie schaffen wir es in unserer alltäglichen Mutter-Vater-Kind-Arbeit tragfähige/sichere Bindungen zwischen Mutter/Vater und dem Kind zu entwickeln?

Um einen Veränderungsprozess in Gang zu setzen, achten wir darauf, die Mütter und Väter nicht zu verurteilen und sie als schlecht dastehen zu lassen. Wir beobachten im Alltag verschiedene Situationen im Umgang mit dem Baby. Nur so können wir uns ein Bild von den Fähigkeiten der Mütter und Väter machen und darauf angemessen und ressourcenorientiert reagieren. In einigen Fällen müssen wir beobachten, dass das Kind zwar gut versorgt wird, aber es mangelt an Kommunikation, Blickkontakt und liebevollen Berührungen.

Durch ungenaue Vorstellungen darüber, was ein Baby braucht und was es kann, entstehen besonders bei jungen Müttern und Vätern Missverständnisse. In unserer Arbeit ist es wichtig, dass wir den Müttern und Vätern gezielt Wissen und Fähigkeiten vermitteln, um so ihre Wahrnehmung gegenüber dem Baby zu verschärfen. Den Müttern und Vätern wird einfach und verständlich klar gemacht, dass wenn sie die Grundbedürfnisse, zu denen ja auch jenes nach Bindung und liebevoller Zuneigung gehört, befriedigen, wird ihr Kind dadurch lernen, das es Hilfe bekommt, wenn es nötig ist.

Ein Baby weiß nur das, was es erlebt! Wenn seine Eltern Tag und Nacht für das Kind da sind, kann es die Welt als einen freundlichen Ort wahrnehmen und eine sichere Bindung zu ihnen entwickeln. Je jünger das Kind, umso wichtiger ist eine verlässliche Bezugsperson, die das Kind pflegt, ernährt, beschützt und streichelt.

Ernährung ist wesentlich im Säuglingsalter! Aber Stillen bedeutet weitaus mehr als Nahrungsaufnahme. Es kann z.B. die Interaktion zwischen Mutter und Kind unterstützen und gleichzeitig die Bindung zwischen beiden fördern. Nicht jede Mutter kann und will stillen. Vielleicht ist es eine Art Unvermögen der Mütter mit ihrem Kind in Symbiose zu leben. Halten junge Mütter Distanz zu den Neugeborenen, weil sie die intensive Nähe nicht dauerhaft zulassen und aushalten können? Daher werden schon im Vorfeld eingehende Gespräche gemeinsam mit unserer Hebamme, den Betreuern und der werdenden Mutter und dem Vater geführt.

 

Was ist in den ersten Monaten wichtig?

Etwas, was das Kind für sein gesamtes Leben entscheidend prägt: Gleichbleibende Verlässlichkeit! Was das Kind fast jeden Tag gleich erlebt, schafft Struktur, ermöglicht Orientierung und gibt Halt. Ein gut strukturierter Tagesablauf macht es den Säuglingen und Kleinkindern einfacher, sich einzugewöhnen. Daher erarbeiten wir mit den Müttern, die dabei Schwierigkeiten haben, Tages- und Wochenpläne. Es wird ihnen somit erleichtert, gegebene Strukturen beizubehalten bzw. es wird ihnen bei der Auswertung vor Augen geführt, wo sie Reserven aufweisen und unsere Unterstützung benötigen.

Gibt es für die jungen Mütter und Väter kaum Orientierungen, tritt an die Stelle von Struktur Chaos und Beliebigkeit. Wichtig für die jungen Mütter und Väter ist auch das Wissen darum, dass ihr Kind nie wieder so viel lernen wird, wie im ersten Lebensjahr.

Um die Entwicklung ihres Kindes zu fördern, benötigen sie unsere Unterstützung im Alltag. Hierbei geht es z. B: um die richtige Ernährung, die Körperpflege, die Kindererziehung, das Spiel und gemeinsame Unternehmungen.

Unterstützung erhalten die Mütter auch von unserer Hebamme, der Kinderärztin, Physiotherapeutin, Kinderpsychologin aus dem SPZ und bei Bedarf auch vom Kinderschutzzentrum. Hier können Mütter gemeinsam mit ihren Kindern die dortige Krabbelgruppe besuchen und Erfahrungen mit anderen Müttern austauschen. All dieses Wissen kann es den Müttern und Vätern erleichtern, eine Beziehung des Vertrauens und Verstehens zu ihrem Kind zu entwickeln. Sie müssen es lernen, die Welt aus der Sicht ihres Kindes wahrzunehmen, um so die Grundlage für eine positive Entwicklung zu legen.

Hier liegt die hohe Verantwortung in unserer alltäglichen Arbeit mit jungen Müttern, Vätern und ihren Kindern.