1. Schwierige Elterngespräche erfolgreich bewältigen
Ein empörter Vater beschwert sich am Telefon lautstark über die Behandlung seines vierjährigen Sohnes Sven. Eine „Clique“ von Jungs habe ihn und seinen Freund im Garten schon mehrmals angegriffen. Da sei ihm schließlich nichts anderes übrig geblieben, als sich zu verteidigen. Dabei habe er erhebliche Kratzer davongetragen und seine Jacke sei beschädigt worden. Keine Erzieherin sei ihm zu Hilfe gekommen. Nun verlangt er Schadensersatz und eine Erklärung von Seiten der Kita.
Eine Erzieherin hat zum wiederholten Male Blutergüsse am Oberkörper und im Gesäßbereich bei Nadine festgestellt. Seit einiger Zeit beabsichtigt sie schon die Mutter oder den Vater daraufhin anzusprechen – Sie muss handeln. Aber sie weiß aus einer früheren Situation, dass die Mutter dies als Anschuldigung auffassen könnte und ein Gespräch wahrscheinlich nicht möglich ist. Auch in Bezug auf den Vater ist sie eher zögerlich bzw. ängstlich, da sie weiß, dass dieser bereits auf gegebene Hinweise aggressiv und unsachlich reagiert.
Erregte bzw. konfrontierte Eltern sind im persönlichen Gespräch oft nur schwer zu beruhigen bzw. zu einem sachlichen Gespräch in der Lage. Erst recht lässt sich das angesprochene Problem nicht „zwischen Tür und Angel“ oder “auf die Schnelle” lösen. Vielmehr ist die Gefahr groß, dass sich durch eine Spirale von Angriff und Verteidigung die Fronten verhärten und damit ein klärendes Gespräch unmöglich werden kann.
Vereinbaren Sie deshalb auf jeden Fall einen Termin für ein angekündigtes Elterngespräch. Auch wenn Ihr Kalender schon recht voll ist oder der Gruppenalltag es schwierig macht – für solche „Notfälle“ sollten Sie immer eine Pufferzeit vorgesehen haben. Auch ein Sieben-Uhr-Früh-Termin oder ein Siebzehn-Uhr-Vorabendgespräch kann ein willkommener Zeitpunkt für Elterngespräche sein, wenn er für die Eltern passend ist.
2. Was Eltern im Gespräch von Ihnen erwarten?
Eltern haben immer Erwartungen an ein solches Gespräch und verbinden damit auch immer Ängste, dass diese nicht erfüllt werden.
- Ein offenes Ohr für ihre Nöte und Sorgen. Nehmen Sie sich also Zeit und gestehen Sie diese auch den Eltern zu!
- Verständnis für die Sorgen um ihr Kind. Betrachten Sie den Sachverhalt aus dem Blickwinkel der Eltern!
- Wertschätzung als Partner in der Bildung und Erziehung des Kindes. Nehmen Sie das Problem und die Eltern ernst und respektieren Sie deren „Wahrheit“!
- Lösungsorientierung statt Schuldzuweisungen. Suchen Sie gemeinsam unter Anerkennung der Möglichkeiten (und Grenzen) der Eltern gemeinsam nach deren Lösungen!
3. Bereiten Sie sich auf ein schwieriges Elterngespräch vor!
Schwierige Elterngespräche entwickeln nicht selten eine eigene und nicht vorhersehbare Dynamik. Sorgen Sie für die eigene Handlungssicherheit, in dem Sie sich ausdrücklich auf das Gespräch vorbereiten.
- Bereiten Sie sich schriftlich auf ein schwieriges Elterngespräch vor, damit Sie einen Leitfaden haben und ggf. nichts vergessen.
- Vergewissern Sie sich mit Ihrer Vorbereitung ggf. immer vorher im Rahmen einer kollegialen Teamberatung.
- Beschreiben Sie ihre Wahrnehmung bzw. Ihr Problem aus der eigenen Sicht (als Erzieherin). Klären Sie dafür den Sachverhalt im Vorfeld so weit es geht aus Ihrer Sicht und Einschätzung ab. Ziehen Sie ggf. weitere Personen hinzu, und besprechen Sie dies ggf. vorab mit den Eltern.
- Versetzen Sie sich in die Lage der Eltern des Kindes. Wie stellt sich deren subjektive “Realität” vermutlich dar?
- Klären Sie für sich, welches Ziel Sie anstreben im Hinblick auf die Problemlösung bzw. auf mögliche oder notwendige kurz- und langfristige Veränderungen.
- Welche Ziele bzw. Motivationen vermuten Sie bei den Eltern? Wechseln Sie bewusst die Perspektive!
- Entwickeln Sie vorsorglich eigene Ideen für die Problemlösung für den Fall, dass die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind sich damit auseinanderzusetzen.
- Prüfen Sie, wann, wo und ggf. mit wem (eine/n zweite/n Kollegen/in) Sie das Gespräch durchführen wollen.
4. Phasen strukturierter Elterngespräche
1. Phase – Gesprächseröffnung
Nennen Sie den Anlass und das formale Gesprächsziel (über den Vorfall im Garten oder Ihre Beobachtung und die Konsequenzen aus Ihrer Sicht). Signalisieren Sie den Eltern Vertrauen und Offenheit, indem Sie zum Beispiel betonen, dass auch Ihnen das Thema (die Klärung) sehr am Herzen liegt. Sprechen Sie den vorgesehenen Ablauf und den zeitlichen Rahmen an.
2. Phase – Klärung des Sachverhalts
Beide Seiten sollten nun die gemeinsamen und unterschiedlichen Sichtweisen darstellen und klären. Alle Informationen werden zusammengetragen. Vermeiden Sie in dieser Phase Bewertungen. Das gegenseitige Hinhören und Nachfragen ist in dieser Phase von besonderer Bedeutung.
3. Phase – Zielfindung
Klären Sie die gemeinsamen und ggf. unterschiedlichen Ziele. Häufig stellt sich der aktuelle Gesprächsanlass nur als “Aufhänger” für ein weit größeres Problem dar. Bei Sven könnte es sich allgemein darum drehen, wie sich seine Sozialkompetenz stärken lässt. Bei Nadine könnten vielleicht aktuelle Schwierigkeiten in der Partnerschaft bestehen.
4. Phase – Lösung
Sammeln Sie gemeinsam Ideen für die Bewältigung des Problems (Stützen zu Hause und in der Kita). Überlegen Sie, ob die Lösungen durchführbar sind, was zur Lösung benötigt wird und welche Konsequenzen für die Beteiligten Eltern, Kind, Erzieher/innen) daraus erwachsen.
5. Phase – Entscheidung
Treffen Sie gemeinsame Vereinbarungen, sprechen Sie konkrete Veränderungen ab. Halten Sie diese möglichst schriftlich fest (Protokoll, Vereinbarung). Lesen Sie sie noch einmal laut vor, damit sie für beide Gesprächspartner eindeutig sind. Vereinbaren Sie abschließend einen „Kontrolltermin“ zur Überprüfung der Erledigung der getroffenen Vereinbarungen.
6. Phase – Fassen Sie das Ergebnis zusammen
Geben Sie sich gegenseitig Feedback, und schließen Sie mit einem positiven den aktuellen Alltag betreffenden Ausblick und der persönlichen Verabschiedung ab.
5. Hinweise für ein schwieriges Elterngespräch
Der vorgeschlagene Ablauf für kooperative Elterngespräche lässt sich nur realisieren, wenn Sie in jeder Phase die Eltern zu Wort kommen lassen und für ihre sicher oft subjektiven Meinungen Verständnis zeigen.
Hören Sie aktiv zu, indem Sie sich vergewissern, ob Sie den Gesprächspartner auch richtig verstanden haben. Geben Sie das Gehörte mit kurzen prägnanten Worten wieder, und fragen Sie nach, ob es auch so gemeint war.
Stärken Sie die Eigenverantwortung und das Selbstwertgefühl der Eltern, indem Sie gemeinsam nach deren Lösungen suchen, anstatt sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Steuern Sie den Gesprächsverlauf überwiegend durch Zusammenfassungen und anschließende Fragen oder Impulse und sorgen Sie für Ziel- und Ergebnisorientierung.
Den Partner verstehen heißt nicht, dass Sie alle seine Argumente akzeptieren müssen. Vertreten auch Sie Ihren eigenen Standpunkt.