Moritz, F.: Wir können nur uns selbst verändern. Systemisch arbeiten in einem systemischen Träger

Aktivierend und ressourcenorientiert Arbeiten – was heißt das eigentlich genau und welche Bedingungen könnten dazu führen, dass sich wirklich etwas verändert?

Wen aktivieren wir eigentlich und wessen Ressourcen wollen wir nutzen? Vielleicht fangen wir damit an, uns selbst zu aktivieren und unsere Ressourcen und Möglichkeiten zu nutzen. Ob es uns gelingt, Veränderungsprozesse in Familien erfolgreich zu begleiten, müssen dann die Ergebnisse der Arbeit zeigen.

Veränderungswille

Die Veränderung persönlicher Haltungen und individuellen Verhaltens ist nur dann möglich, wenn Mensch das selber will. Werden Menschen zur Veränderung genötigt, tun sie vielleicht so als ob – sobald der Druck nachlässt, ist aber alles wie vorher. Die Jugendhilfe hält hierfür genug Erfahrungen bereit.

Es ist also naheliegend, dass wir bei uns selber anfangen, wenn wir überzeugend darlegen wollen, dass Veränderung möglich ist. Was kann für Familien überzeugender sein, als die Beobachtung, dass wir als professioneller Helfer (zukünftig wohl besser: Begleiter) selber auch dabei sind, uns zu entwickeln und zu verändern. Dies beinhaltet vor allem, dass wir uns genau die Wirkungen unserer Worte und Taten ansehen und bereit sind, uns zu korrigieren, wenn wir feststellen, dass die erwarteten Veränderungen ausbleiben.

Es ist ein Weg mit Tücken und Hindernissen: ständig laufen wir Gefahr, von liebgewonnenen Glaubenssätzen eingeholt zu werden:

  • Man muss den Eltern sagen, wo es lang geht, damit sie überhaupt verstehen, dass sie ein Problem haben!
  • Die Kinder brauchen ein Vorbild zur Orientierung, vielleicht auch die männliche Bezugsperson, zu Hause haben sie das ja nicht!
  • Es ist letztlich doch besser, wenn die ausgebildeten Fachkräfte auf der Basis sorgfältiger Diagnosen die richtige Behandlung der Kinder durchführen!
  • Dieses Kind ist nun einmal aggressiv!
  • Wir haben es versucht, aber die Familie ist nicht kooperativ!

Die Fallen lauern überall, immer wieder formulieren wir innerlich Urteile über Familien, KollegInnen und KooperationspartnerInnen, anstatt darüber nachzudenken, warum ein Mensch etwas tut und was ihn dazu bringen könnte, sein Handeln zu verändern. Es ist bequem, bei den Urteilen zu bleiben – das sichert die eigene Position und bestätigt uns in unserer Sicht auf die Welt.

Familien sind uns in Hinsicht auf die Bereitschaft zu Veränderungen oft voraus, denn ihre Fragen und Probleme sind oft genug sehr existenziell. Es wäre gut, träfen sie auf respektvolle und veränderungsbereite GesprächspartnerInnen.

Was müssen das für Träger sein …?

Die MitarbeiterInnen lernen also täglich dazu, stellen sich selbst und ihr gewohntes Rollenverhalten in Frage, bilden ein lernendes System, das sich mit den Familien verändert und weiterentwickelt.

Das machen Menschen, wenn sie bereit sind, mit Energie und Risikobereitschaft neue Wege zu finden. Sie verarbeiten Misserfolge und trotzdem lernen sie weiter.

Solche MitarbeiterInnen brauchen Organisationen, die die Risiken der Arbeit mittragen, die die Offenheit und Einsatzbereitschaft wertschätzen und die Strukturen schaffen, die den Inhalten der systemischen Familienarbeit gerecht werden.

Es braucht Organisationen, die bereit sind genau das zu tun, was sie von den Eltern erwarten: sich neu zu definieren, wenn sich die gewohnten Muster und Strukturen als „nicht zielführend“ erweisen; die in der Lage sind, die Wirkungen ihres Handelns nach innen und außen prüfend zu hinterfragen.

Hierfür braucht es funktionierende Strukturen sowohl innerhalb der Träger wie in ihrem Überbau, die ständig den Abgleich zwischen dem eigenen Anspruch, wie er beispielsweise im Leitbild der Organisation formuliert ist, und der gelebten Praxis herzustellen in der Lage sind.

Sie müssen darüber hinaus ambitioniert und fähig sein, eine Kultur zu entwickeln und zu pflegen, in der Störungen (wie in der Arbeit mit den Familien) mit Wertschätzung, Fairness, Offenheit und sachlicher Klarheit ausgetragen werden. Das Ziel wäre dann jeweils der Versuch, miteinander die praktische Arbeit weiterzuentwickeln.