N. Struck: Orientierungshilfe zu den Vereinbarungen von Trägern von Diensten und Einrichtungen mit den örtlichen Trägern zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach §8a SGB VIII – inkl.: Mustervereinbarung

 

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdungen für ihr Wohl ist nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII eine gemeinsame Aufgabe freier und öffentlicher Träger der Jugendhilfe.

 

Zur Konkretisierung dieses Schutzauftrags ist durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK) jetzt ein neuer § 8a ins SGB VIII eingefügt worden. Er lautet:

 

§ 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

 

(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten.

(2) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Insbesondere ist die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte bei den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hilfen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden.

(3) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.

(4) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein.

Abs. 2 fordert vom öffentlichen Träger, mit allen Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, Vereinbarungen abzuschließen, die sicherstellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Abs. 1 in entsprechender Weise wahrnehmen.

 

Was muss also Gegenstand dieser Vereinbarungen sein?

Wenn die Voraussetzung – gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung – vorliegt, müssen folgende Schritte gemacht werden:

  1. Risikoabschätzung unter Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft unter Beteiligung der Betroffenen, soweit sinnvoll.
  2. Entwicklung von Hilfen – gemeinsam mit den Betroffenen soweit sinnvoll, die geeignet sind, die Gefährdung zu beenden.
  3. Hinwirken auf die Inanspruchnahme der für wirkungsvoll gehaltenen Hilfen.
  4. Sind die entwickelten Hilfen nicht ausreichend um die Gefährdung zu beenden, so wird das Jugendamt hierüber informiert.

 

Was sollte darüber hinaus in der Vereinbarung geregelt sein?

  1. Liste von insoweit erfahrenen Fachkräften und die Erstattung der ggf. für deren Hinzuziehung anfallende Kosten
  2. Liste von für sinnvoll und notwendig erachteten Fortbildungsangeboten und die Erstattung der ggf. anfallenden Kosten für diese Maßnahmen

 

Eine Vereinbarung, die diese Anforderungen erfüllt, erfüllt die Verpflichtungen aus dem Gesetz.

 

Muster:

Vereinbarung

zwischen dem örtlichen Träger der Jugendhilfe

und

dem Träger ____________________________

zum Verfahren nach § 8 a Abs. 2 SGB VIII zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl

 

1. Erhält eine Fachkraft des Trägers gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines/einer Jugendlichen, der/die in seiner Einrichtung/seinem Dienst eine Leistung nach dem SGB VIII erhält, so teilt sie dies der zuständigen Leitungsperson mit.

2. Die zuständige Leitungsperson organisiert ein Fallgespräch zur Risikoabschätzung unter Hinzuziehung mindestens einer insoweit erfahrenen Fachkraft.

3. Im Fallgespräch wird, wenn angezeigt, entschieden, wer in welchen Schritten und welchem Zeitraum mit dem Kind oder Jugendlichen und den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten den wirksamen Schutz des Kindes oder Jugendlichen organisiert, notwendige und geeignete Hilfen entwickelt und auf deren Inanspruchnahme hinwirkt. (Schutzplan)

4. Im Fallgespräch wird ein Termin bzw. – falls erforderlich – werden Termine zur Überprüfung der Wirksamkeit des Schutzplans vereinbart.

5. Erweisen sich die angenommenen Hilfen als nicht ausreichend, um die Gefährdung abzuwenden, so informiert der Träger das Jugendamt hierüber und berichtet ihm über die bisher vorgenommenen Schritte.

6. In einer Nebenabsprache zu dieser Vereinbarung wird eine Liste insoweit erfahrener Fachkräfte vereinbart. Entstehen dem Träger durch die Hinzuziehung dieser Fachkraft Kosten, so werden diese vom örtlichen Träger nach Rechnungslegung erstattet.

7. In einer Nebenabsprache zu dieser Vereinbarung werden je nach Bedarf Fortbildungsangebote für die Fachkräfte des Trägers vereinbart, die zur kompetenten Wahrnehmung des Schutzauftrags als sinnvoll und notwendig erachtet werden. Evtl. anfallende Kosten für diese Fortbildungsangebote werden vom öffentlichen Träger nach Rechnungslegung erstattet.

8. Der Träger ist zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die sich aus §§ 61 – 65 SGB VIII ergeben, verpflichtet.