Kinderschutz im Notdienst Berlin e.V.
Das Thema Kinderschutz hat im Notdienst Berlin e. V. bereits eine mehrjährige Geschichte. In 2007 wurden durch eine vereinsinterne Projektgruppe Arbeitsprinzipien und Standards verabschiedet. Diese betreffen sowohl die Betreuung von suchtmittelabhängigen Eltern als auch die Arbeit mit suchtgefährdeten minderjährigen Jugendlichen. Zeitgleich wurde die Funktion der Kinderschutzbeauftragten im Träger eingeführt.
Im Jahr 2008 betreuten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Notdienstes insgesamt 820 Klienten mit Kindern unter 18 Jahren, davon lebten 214 Klienten mit ihren Kindern im eigenen Haushalt. Doch was wird nun genau durch den Fachstandard Kinderschutz geregelt?
Der Erstkontakt zu den Klienten erfolgt meist in einem niedrigschwelligen Setting, die Mitarbeiter haben wenig Kenntnis über deren häusliche Situation und die Kinder tauchen (im Normalfall) nicht im Beratungskontakt auf. Mit dem Fachstandard wurde das Ziel verfolgt und umgesetzt, das Kindeswohl gefährdende Situationen zu- beschreiben und Hilfestellung bei der Erfassung und Bewertung von Informationen zugeben. Darüber hinaus enthält der Standard Handlungsrichtlinien für den Fall einer vermuteten Kindeswohlgefährdung.
Für die Kommunikation mit dem Jugendamt und anderen Institutionen sind der Konsumstatus der Eltern und daraus resultierende Folgen für deren Kinder, z. B. Zugang der Kinder zu den Drogen, Verminderung der Steuerungsfähigkeit der Eltern sowie Einschränkungen der Eltern bei der Versorgung und Beaufsichtigung der Kinder, wichtige Inhalte.
Selbstverständlich wird ein enger Kontakt mit anderen Betreuern der Klienten angestrebt und es wird auch regelmäßig aufsuchende Arbeit geleistet. Entscheidend ist im Kontext der Suchthilfe aber, dass der Betreuer i. d. R. die Kinder nicht kennt, sondern aus dem Beratungskontakt mit den Eltern ein Bild über die familiäre Situation ableitet. Daraus wird deutlich, wie wichtig eine funktionierende Kommunikation mit der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne eines Kindeswohls ist. Nicht leisten kann der Notdienst Berlin e.V. vor diesem Hintergrund eine Begutachtung der Erziehungsfähigkeit der Eltern bzw. eine Empfehlung zur Herausnahme der Kinder.
Im Vorfeld der Implementierung dieses Fachstandards gab es unterschiedliche Annahmen und Befürchtungen, z. B. die Klienten würden einem Austausch mit dem Jugendamt nicht zustimmen oder gar der Beratung fernbleiben. Auch Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der Beratungsbeziehung wurden vermutet. Nach über zwei Jahren Erprobung dieser Arbeitsweise haben sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet. Hilfreich waren bei der Umsetzung vor allem der Transport einer klaren Haltung bezüglich der Situation der Kinder sowie eine hohe Transparenz bezüglich des Vorgehens im Falle einer Kindeswohlgefährdung gegenüber den Klienten. Dass es bei tatsächlichen Eingriffen in die familiäre Situation zu Ambivalenzen und emotionalen Einbrüchen kommt, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst.
Ein wichtiges Instrument der Vernetzung mit der Jugendhilfe sind die jährlich stattfindenden Fachtage in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg, zu denen der Notdienst Berlin e.V. einlädt. Neben den örtlichen Jugendämtern ist der Kinder- und Jugendnotdienst hier ein wichtiger und verlässlicher Kooperationspartner.
Bezogen auf den Einzelfall gibt es im Grunde drei typische Konstellationen. Häufig handelt es sich um Eltern in der psychosozialen Betreuung, die sich in schwierigen Lebenslagen befinden und/oder Beikonsum haben, was zu einer weiteren Destabilisierung führt. In den Beratungsstellen treffen die Mitarbeiter oft auf Klienten, die bereit sind, an ihrer Situation etwas zu verändern, aktuell aber noch Drogen konsumieren und mit Kindern zusammenleben. Insbesondere im Jugendbereich wird eine Zunahme von Minderjährigen, die sehr gefährliche und ausgeprägte Konsummuster aufweisen, beobachtet. Gerade bei dieser Zielgruppe ist die Vorgehensweise mit den anderen Kooperationspartnern noch am wenigsten geklärt.
Zusammenfassend kann der Notdienst Berlin e.V. auf gute Erfahrungen im Hinblick auf die Einführung von Fachstandards zum Kinderschutz zurückblicken. Leider wurde in Einzelfällen die Erfahrung gemacht, dass Familienrichter nicht die Empfehlungen berücksichtigten, die Fachkräfte im Sinne der Kinder abgegeben und begründet hatten. Eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Berufsgruppe hält der Notdienst Berlin e.V. daher für unbedingt notwendig und erforderlich.