Jugendwohnen im Kiez e.V. übernahm im Rahmen eines Betriebsüberganges in 2006 vom damalig öffentlich rechtlichen Träger „Jugendaufbauwerk Berlin“ die Familien aktivierende Wohngruppe „Die Adalbert“.
Als innovatives Angebot wurde diese Gruppe unter der Federführung des Jugendamtes Kreuzberg 1985 gegründet. Es gehörte Mitte der 1980er Jahre sicherlich viel Mut und Beharrlichkeit dazu, solch ein Projekt zu starten. Den InitiatorInnen schlug damals teilweise ein harscher Wind entgegen, sie konnten jedoch an ihren fachlichen, visionären Ideen festhalten und somit dieses Projekt mit großem Engagement beginnen.
Heute ist die Wohngruppe eine bewährte und geschätzte Kreuzberger Institution, die sehr gut durch den Bezirk, aber auch durch andere angrenzende Bezirke wie Neukölln oder Mitte, in Anspruch genommen wird.
Die damalige grundsätzliche Idee und fachliche Haltung bilden die Basis dieser Angebotsform. Sie wurden an die nachfolgend tätigen Personen weitervermittelt und durch diese wiederum auch weiterentwickelt.
Jugendwohnen im Kiez fördert daher den Prozess der Weiterentwicklung beispielsweise durch Investitionen in zielgerichtete Inhouse-Fortbildungen für das Team oder von Weiterbildungsmaßnahmen einzelner MitarbeiterInnen. Supervision und externe Beratung zu besonderen Themen (z.B. Umgang mit psychisch beeinträchtigten Elternteilen) gehören zum Standard.
Die Zielgruppe der Familien aktivierenden Wohngruppe in der Adalbertstraße, ist über die zu betreuenden Kinder/Jugendlichen (Grundschulalter) hinaus die ganze Familie. Das Angebot ist methodisch entwickelt vom Beginn der Aufnahmephase bis zur Beendigung als begleitende und unterstützende, nicht ersetzende stationäre Hilfe. Die Arbeitsweise ist geprägt von Sichtweisen und Methoden der systemischen Familienberatung; sie zielt ab auf die Aktivierung der Ressourcen und Potenziale der Beteiligten und ihre Lösungsansätze für die angestrebten Veränderungen. Die Eltern werden durch die Unterbringung nicht aus ihrer Erziehungsverantwortung entlassen, sondern gefordert und gefördert. Die Hilfe ist stadtteilorientiert, das Lebensumfeld (z.B. Schule, Freunde, Nachbarschaft) bleibt erhalten. Die Rückkehr der Kinder in die Herkunftsfamilie ist das prioritäre Ziel des Hilfeangebotes.
In der Praxis bedeutet dies, die Eltern, so anstrengend dies im Einzelfall auch sein mag, jederzeit willkommen zu heißen. Sie können in einem Elternschlafzimmer übernachten und am Gruppenleben teilhaben. Sie werden aufgefordert und unterstützt, Verantwortung für ihr Kind und auch für die ganze Gruppe zu übernehmen, z.B. Streit zu schlichten oder kleinere Freizeitunternehmungen zu gestalten. Den Eltern wird zugetraut, dies zu meistern. Sie haben die Möglichkeit in ihren erzieherischen Fähigkeiten und Kompetenzen und damit in ihrem Selbstbewusstsein zu wachsen.
Das erfordert einen besonderen Einsatz, besonders viel Engagement und vor allem auch viel Geduld von den MitarbeiterInnen.
Wenn Familien in eine Krise geraten, die so schwer ist, dass ein Zusammenleben zuhause nicht mehr möglich ist, dann haben sie in der Regel über einen langen Zeitraum mit eigenen Strategien und häufig professionellen Helfern versucht, die problematische Situation zu verbessern. Am Ende dieser Spirale erleben sie das Scheitern aller Bemühungen und die Unterbringung ihrer Kinder. Ursachen dafür können z.B. sein: Verwahrlosung, häusliche Gewalt, Drogensucht, psychische Erkrankungen.
In dieser Situation wenden sich Eltern entweder selbst Hilfe suchend an das Jugendamt, oder Dritte, häufig Schule, Kindertagesstätte oder Nachbarn, melden sich dort, weil sie Kinder nicht angemessen versorgt glauben.
Eine günstige Voraussetzung für die Akzeptanz der Unterbringung bei Eltern und Kindern ist die vorhergehende Einbeziehung aller Beteiligten und deren Zustimmung. Wenn möglich, werden vor dem Einzug des Kindes ein oder zwei Gespräche mit den Eltern in der Wohngruppe zum gegenseitigen Kennenlernen geführt. Die aktuelle Situation und die Rahmenbedingungen der Einrichtung werden erörtert. Bei einem weiteren Termin lernt dann das Kind die Gruppe kennen. Im Idealfall stimmen anschließend Eltern und Kind der vorübergehenden Unterbringung zu.
In anderen Fällen sieht sich das Jugendamt gezwungen die Unterbringung zu veranlassen, um eine akute Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Dies kann zur plötzlichen Aufnahme des Kindes, wenige Stunden nach Anfrage des Jugendamtes führen.
Ziel der Hilfe ist, zu klären, welchen Bedarf Kinder und Eltern haben, ob und wie ein erneutes Zusammenleben möglich wird.
Konkrete Ziele der Maßnahme werden gemeinsam mit dem Jugendamt und der Familie im Hilfeplanungsprozess erarbeitet und festgelegt.
Den größten Handlungsspielraum für Veränderungen im Familiensystem haben die Eltern und tragen damit auch den Großteil der Verantwortung. Deshalb sind sie die wichtigsten Ansprechpartner im Hilfeprozess.
Mit wertschätzender und offener Haltung wird immer wieder versucht, Eltern für die Erziehung und die aktive Teilnahme am Leben ihrer Kinder zu gewinnen.
Mütter, Väter und andere wichtige Personen sind in der „Adalbert“ immer herzlich willkommen. Sie können mit ihren Kindern den Alltag neu probieren und üben und so viel Verantwortung tragen, wie ihnen möglich ist.
Dies kann konkret bedeuten:
– Zu-Bett-bringen der Kinder und übernachten in der Wohngruppe
– Begleitung zur Schule / Kita und zurück, Hausaufgabenbetreuung, Kontakte zu Lehrern/ Erziehern
– Begleitung von Arztbesuchen
– Übernahme von Einkäufen
– Alltag erleben mit dem eigenen und anderen Kindern der Gruppe
– Mitwirken beim Zubereiten von und Teilnahme an gemeinsamen Mahlzeiten
– Mitwirkung bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten
– Gemeinsame Freizeitgestaltungen
Die Einrichtung bietet den Eltern einen Schutzraum indem sie Situationen mit ihren Kindern üben können, die sie zu Hause oft als schwierig erlebt haben. Dabei wissen sie eine(n) Erzieher/in im Hintergrund, der ihnen Beratung, Unterstützung und Entlastung bietet. Auf diese Weise lernen sie neue Handlungsmöglichkeiten kennen und können überprüfen, ob diese passend und hilfreich sind.
Parallel dazu bieten die familientherapeutisch ausgebildeten Koordinatorinnen den Eltern ein- bis zweiwöchentliche systemisch orientierte Beratungsgespräche an.
Themen sind hierbei im Besonderen:
– die aktuelle Familiensituation
– Problematik, die zur Unterbringung führte
– Befinden und Bedürfnisse der Kinder
– Erziehungsverhalten
– Familiengeschichte
– Alltagsorganisation
– Paarbeziehung.
So wird den Eltern ermöglicht, in Ruhe und mit Abstand eigenes Verhalten und das ihrer Kinder zu betrachten, Muster zu erkennen, Ursachen zu erforschen und neue Lösungsideen zu entwickeln.
In den Gesprächen mit den Eltern wird zudem stets der aktuelle Stand der Hilfe betrachtet, Ziele werden überprüft und gegebenenfalls verändert. Dieser Prozess verläuft immer in enger Abstimmung mit dem zuständigen Jugendamt.
Trotz notwendiger Strukturen und Regeln in der Wohngruppe ist eine aktive Mitgestaltung durch die Familien sehr gewünscht. Eltern und Kinder in der „Adalbert“ sind stets eingeladen, Kritik, Verbesserungsvorschläge und ihre eigene Lebenswelt einzubringen.
Basierend auf den Auswertungen der bisherigen Unterbringungen, beläuft sich der Aktivierungsprozess von Familien zeitlich zwischen sechs und neun Monaten. In den vergangenen 6 Jahren seit Übernahme durch Jugendwohnen im Kiez konnten 56 % wieder in ihren Familien leben.
„Die Adalbert“ ist ein Gruppenangebot mit Intensivleistung nach § 34 SGB VIII. Die Wohngruppe ist für acht Plätze ausgerichtet.
Die Adalbert – Familienaktivierende Gruppe, Träger Jugendwohnen im Kiez