Unser Patenschaftsangebot „Die Fünfte Hand“ startete 2010 als regionales Angebot unter unserer Leitung, des freien Trägers DASI Berlin gGmbH, in Kooperation mit dem Jugendamt Treptow-Köpenick. Unser Ziel war, Menschen im Sozialraum zusammenzubringen und Aktivpatenschaften zu vermitteln – zwischen ehrenamtlichen Paten, die Zeit und Zuwendung schenken möchten, und allen Familien, die für ihr Kind eine verlässliche Bezugsperson wünschen.
Wir haben gute Erfahrungen mit dem Projekt gemacht. Viele Patenschaften sind sehr stabil und bestehen bis heute. Aufgrund unserer Arbeit in stationären Hilfen kamen wir nach dem Wegfall der Förderung über das Jugendamt Treptow-Köpenick auf die Idee, auch Patenschaften für Kinder in familienanalogen Wohngruppen zu vermitteln. Denn gerade Kinder in stationären Hilfen leiden oftmals unter belasteten Beziehungen. Unser Anliegen war, diesen Kindern und Jugendlichen mit den Paten erwachsene Bezugspersonen zur Seite zu stellen, die sie auf ihrem Weg begleiten, sie in ihrer Entwicklung fördern und stärken sowie ihnen verlässliche und stabile Beziehungen bieten.
Gleichzeitig interessierten sich einige Paten für Patenschaften für “Heimkinder”, weil sie das Gefühl hatten, dass Kinder in stationären Hilfen eine feste Bezugsperson dringlicher benötigen.
So entstanden die ersten Patenschaften für Kinder unserer familienanalogen Wohngruppen. Mittlerweile haben wir sieben Patenschaften für Kinder und Jugendliche in stationären Hilfen im Alter von 5 bis 12 Jahren. Wir binden die Kinder ein, die nicht viel oder gar keinen Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie haben und somit über keine weiteren erwachsenen Bezugspersonen außerhalb der Einrichtung verfügen, in der sie leben.
Die Kinder und Jugendlichen in stationären Hilfemaßnahmen haben oft sehr schwierige Lebenssituationen durchlaufen, häufig fehlte es ihnen an Zuwendung, Förderung und Aufmerksamkeit. Als Folgen zeigen sich bei den Kindern oftmals Entwicklungsbeeinträchtigungen, Bindungsstörungen, mangelnde soziale Kompetenz, Aufmerksamkeitsdefizite oder Auffälligkeiten in der Motorik bzw. Sprache. Eine feste Bezugsperson, die sich kontinuierlich um das Kind kümmert, ein- bis zweimal in der Woche für zwei bis drei Stunden ausschließlich mit ihm etwas gemeinsam unternimmt, ihm seine ganze Aufmerksamkeit schenkt und möglichst über Jahre hinweg begleitet, kann gerade für diese Kinder eine Stütze sein, sie in ihrer Entwicklung fördern, ihr Selbstwertgefühl stärken, Brüche in der Biografie vermindern und ihnen Stabilität geben. Eine Patenschaft kann eine konstante Beziehung ins Leben der Kinder bringen.
Die Erzieher, die mehrere Kinder in einer stationären Einrichtung betreuen, erhalten durch einen Paten, der seine Zeit nur einem Kind widmet, Unterstützung in ihrer Arbeit. Wichtig ist allerdings, dass unser Patenschaftsangebot den Kindern zusätzlich zu dem Angebot, das die Einrichtung leistet, zur Verfügung steht. Wir ersetzen keine Leistung der Jugendhilfe, sondern unterstützen damit sowohl die Kinder als auch die pädagogischen Fachkräfte.
Unsere Paten sind sowohl Einzelpersonen wie auch Paare oder Familien im Alter von Anfang 30 bis Mitte 50. Grundsätzlich ist uns wichtig, dass die Paten bereit sind, sich auf die besondere Lebenssituation der Kinder einzustellen sowie sich mit dem pädagogischen Personal auszutauschen und mit diesem zu kooperieren.
Patenschaften für Kinder in familienanalogen Wohngruppen benötigen jedoch eine intensivere Betreuung und Begleitung durch einen Koordinator als Patenschaften für Kinder, die bei ihren Eltern(teilen) leben. Die Paten benötigen mehr Informationen über die spezifischen Probleme, Verhaltens- und Lebensweise der Kinder und Jugendlichen. Der Gesprächs- und Beratungsbedarf ist größer. Der Koordinator ist außerdem Wegbereiter und Ansprechpartner für das pädagogische Personal in den Einrichtungen. Die Abstimmung zwischen pädagogischem Personal in den Einrichtungen bzw. dem Vormund/Eltern und den Paten ist mitunter recht komplex. Die Paten haben durch den besonderen Lebenshintergrund der Kinder einen größeren Informations- und Beratungsbedarf.
Ein wesentlicher Aspekt unseres Angebotes ist außerdem, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe öffnet und Unterstützung von der Zivilgesellschaft erhält. Menschen, die sich für Kinder und Jugendliche engagieren wollen, können sich in den stationären Einrichtungen einbringen. Hauptamtliche arbeiten so gemeinsam mit Ehrenamtlichen Hand in Hand. Die Öffnung der Institutionen bedeutet für die Mitarbeiter zum einen Unterstützung bei ihrer Arbeit mit den Kindern und die Möglichkeit, zusätzliche Angebote für die Kinder zu schaffen. Zum anderen entstehen dadurch auch Transparenz und der Bedarf von zusätzlicher Kommunikation mit den Paten. Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen setzt unter Umständen Impulse in den Institutionen, die der Begleitung bedürfen. Für die ErzieherInnen in den Gruppen ist dies Chance und Herausforderung zugleich. Bei den Paten handelt es sich nicht um „Hilfskräfte“, sondern um Bezugspersonen der Kinder. Man begegnet sich also auf Augenhöhe.
Ursprünglich wollten wir unser Angebot berlinweit ausbauen und mit anderen Trägern kooperieren. Leider ist es uns nicht gelungen, eine entsprechende Förderung zu erhalten. Wir stehen jedoch anderen Trägern, die in die gleiche Richtung gehen wollen, mit unserem gewonnenen Know-How zur Verfügung.
Interview mit Stephanie A., Patin eines Kindes einer familienanalogen Wohngruppe
(Name geändert)
Wie bist Du auf die Idee gekommen, Patin zu werden?
Stephanie A.: Als ich meinen Arbeitsplatz gewechselt habe, hatte ich etwas mehr Zeit, die ich für ein ehrenamtliches Engagement nutzen wollte. Ich wollte gerne etwas für und mit Kindern machen. Deswegen hat mir die Idee von Kinderpatenschaften gefallen, und ich habe mich bei zwei Projekten informiert. Entschieden habe ich mich dann für Die Fünfte Hand.
Wie ist Dein besonderes Interesse für Kinder in familienanalogen Wohngruppen entstanden?
Im Patenworkshop hat uns der Projektkoordinator Günter Porath von den Kindern aus familienanalogen Wohngruppen erzählt. Da wusste ich, dass ich mich um eines dieser Kinder kümmern möchte. Für die Wohngruppenkinder war mein Interesse stärker, weil ich das Gefühl hatte, dass sie eine Patin als Bezugsperson mehr brauchen als Kinder, die bei einem Elternteil wohnen. Mein Patenkind Sophie* erhält nur Besuch von mir.
Wie hat die Patenschaft begonnen und wie läuft sie jetzt?
Vor dem ersten Treffen war ich sehr aufgeregt. Ich wurde herzlich von der ganzen Wohngruppe empfangen und war positiv überrascht vom Wohnumfeld. Die Erzieherin hat sich dann mit mir und Sophie in einen gesonderten Raum zurückgezogen, wo wir uns unterhalten und besser kennen lernen konnten.
Inzwischen treffen wir uns mindestens einmal die Woche, unter der Woche oder am Wochenende, je nachdem wie es meine Arbeitszeit zulässt. Am Anfang dachte ich, dass es besser wäre, sich in der Wohngruppe zu treffen. Später habe ich gemerkt, dass es Sophie gut tut, aus ihrem Wohnumfeld herauszukommen. Wir gehen Eis essen oder ins Einkaufszentrum, spielen Mensch ärgere Dich nicht, manchmal lesen Sophie und ich uns abwechselnd etwas vor. Ich habe sie auch schon zu meinen Eltern mitgenommen, um ihr das Zwergkaninchen zu zeigen. Und auch mein Zuhause und meinen Freund hat sie kennengelernt. Schließlich soll sie wissen, wie ich lebe.
Wie hat sich die Patenschaft in der gesamten Zeit verändert? Und gab es auch mal Schwierigkeiten?
Am Anfang hat Sophie noch ausgetestet, was sie mit mir machen kann. Auch mit dem Abschied konnte sie nicht so gut umgehen, hat mal getreten oder wurde total unruhig. Inzwischen habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, wie es ihr geht und wie viel ich mit ihr machen kann. Es gab auch, je mehr wir uns kennenlernten, immer mal wieder schwierige Situationen mit Sophie. Wichtig war für mich dann die Möglichkeit, mit den ErzieherInnen zu reden. In der Wohngruppe habe ich mich immer gut aufgehoben gefühlt. Gemeinsam konnten wir oft auch mit Sophie Situationen besprechen und damit bereinigen.
Wie siehst Du Deine Patenschaft insgesamt?
Seit fast drei Jahren bin ich jetzt Patin der inzwischen 11-jährigen Sophie – und ich bin es gerne. Mir macht es sehr viel Spaß, Zeit mit Sophie zu verbringen. Und ich merke auch, dass es Sophie sehr gut tut und sie sich positiv entwickelt.